Angeklagter gesteht: Sieben Kinder mit Stieftochter
Koblenz/Altenkirchen (dpa) - Die Vorwürfe klingen ungeheuerlich: Ein Familienvater aus dem Westerwald soll jahrelang seine Kinder hundertfach sexuell missbraucht haben. Zum Prozessauftakt gibt der 48-Jährige zu, Vater der sieben Kinder seiner Adoptivtochter zu sein, Missbrauch sieht er darin nicht.
Zum Beginn des Prozesses präzisierte die Staatsanwaltschaft die unfassbaren Vorwürfe: Der 48-Jährige soll seine Tochter, die Stieftochter und einen Stiefsohn jahrelang sexuell missbraucht haben. Die beiden Mädchen verkaufte er laut Anklage außerdem für Sex an fremde Männer. Insgesamt geht es um 350 Taten zwischen Herbst 1987 und Sommer 2010.
Möglicherweise hat sich der Mann auch an einem der sieben Kinder vergangen, die er mit seiner Stieftochter hat. Dazu laufen Ermittlungen. Mit einem Gutachten will zudem der Landkreis mögliche Versäumnisse des Jugendamtes untersuchen. Zum Prozessauftakt bestätigte indes die Stieftochter unter Ausschluss der Öffentlichkeit „im Wesentlichen“ die Anklagevorwürfe, berichtete der Vorsitzende Richter Winfried Hetger.
Zuvor hatte der Staatsanwalt schreckliche Szenen geschildert, die sich in der Familie abgespielt haben sollen. Die heute 18-jährige Tochter soll über mehrere Jahre hinweg etwa einmal die Woche von ihrem Vater missbraucht worden sein. Das erste Mal hatte sie der 48-Jährige laut Anklage zum Sex gezwungen, als sie zwölf Jahre alt war - die Stieftochter, als sie 13 Jahre alt war. Aber schon vorher habe es sexuelle Übergriffe gegeben. Danach seien beide Töchter jahrelang für Sex an andere Männer verkauft worden, die Stieftochter soll dabei mit Fotos erpresst worden sein. Insgesamt acht Kinder soll er später mit ihr gezeugt haben, ein Baby starb im Alter von drei Monaten.
„Er hat seine eigene Tochter angefasst, als sie neun war. Er hat seine eigene Tochter entehrt“, heißt es in einem Brief der 18-Jährigen, der im Saal verlesen wurde. Die Stieftochter hatte das Schreiben gefunden, dem Jugendamt übermittelt und so das Verfahren ins Rollen gebracht. Der Angeklagte, der im roten Sakko vor Gericht erschienen war, nahm die Vorwürfe fast regungslos auf, schüttelte nur hin und wieder mit dem Kopf. Er ging nur von 2000 bis 2003 einer geregelten Arbeit als Lkw-Fahrer nach und war zuletzt arbeitslos.
Der Kreis Altenkirchen kündigte an, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Damit solle geklärt werden, „ob es Fehler oder Versäumnisse bei der Behandlung des Falles durch das Jugendamt gegeben hat“, sagte Landrat Michael Lieber (CDU) am Dienstag in Altenkirchen. „Ich gehe davon aus, dass es zur vollständigen Rehabilitierung des Amts, seines Leiters und seiner Mitarbeiter führen wird.“ Gutachter werde der ehemalige Familienrichter Karl-Heinz Held aus Wiesbaden sein.
Ein Stiefsohn des Beschuldigten hatte erfolglose Hilferufe an das Jugendamt beklagt. So habe er sich an die Behörden gewandt, als er nach einem Gewaltausbruch des Stiefvaters im Krankenhaus behandelt werden musste. Schläge mit Gürteln oder Teppichklopfern waren laut Anklage in dem Haushalt in der 750-Seelengemeinde Fluterschen keine Seltenheit.
Der Koblenzer Staatsanwalt Thorsten Kahl sagte, es gebe weder gegen die Mutter der mutmaßlichen Opfer noch gegen das Jugendamt strafrechtlich relevante Vorwürfe. Der beschuldigte Vater hat nach den Worten von Landrat Lieber „ein System völliger Abschottung ... nach innen und nach außen eingerichtet“.
Inzwischen wird gegen den Mann zusätzlich ermittelt, weil er eines der sieben Kinder, die er mit seiner Stieftochter zeugte, missbraucht haben soll. Ein ärztliches Gutachten über die kleine Tochter komme 2010 zu dem Schluss, dass die Befunde mit einem möglichen Missbrauch vereinbar seien, hieß es beim Landgericht. Das Kind ist heute sieben Jahre alt.
An diesem Mittwoch soll zunächst der Stiefsohn seine Aussage machen. Auch die 18 Jahre alte Tochter ist nach Gerichtsangaben als Zeugin geladen. Beide seien Nebenkläger.