Anna Lührmann: Das Küken verlässt den Bundestag
Als Anna Lührmann nach Berlin zog, war sie 19 Jahre alt. Mit 24 kündigt sie nun ihren Abschied von der Politik an. Mit ihrem Mann zieht sie in den Sudan.
Berlin. Anna Lührmann ist die jüngste Bundestagsabgeordnete aller Zeiten. Mit 19 Jahren wurde sie gewählt. Jetzt ist sie keine 25 - und hört auf, lange bevor andere angefangen haben.
In den nächsten Tagen erwartet Anna Lührmann ihr erstes Kind, Ende nächsten Jahres will sie in den Sudan gehen, wo ihr Mann deutscher Botschafter wird. "Ich gehe nicht deshalb, weil ich ein Kind bekomme", sagt Anna Lührmann, die für die Grünen ins Parlament einzog.
"Ich möchte meine Unabhängigkeit nicht verlieren. Wenn ich keine andere Perspektive hätte, müsste ich nach 20 Jahren womöglich bei meiner Partei darum betteln, wieder aufgestellt zu werden. Das will ich nicht."
"Wer ist Anna? Was will Anna?" Diese Fragen stehen auf ihrer Internet-Seite. 2002 hat Anna Lührmann in Hofheim am Taunus Abitur gemacht, kurz darauf ging sie als jüngste Abgeordnete nach Berlin. Die längste Zeit hat sie im Haushaltsausschuss gesessen und einen Etat-Posten nach dem anderen kontrolliert. "Dafür hat sich kein Schwein interessiert", sagt sie.
Für "relativ nebensächliche Bemerkungen" in der Rentendebatte sei ihr aber "die totale Medienaufmerksamkeit" sicher gewesen. Es sei frustrierend zu merken, dass das Bild eines guten oder schlechten Politikers vor allem durch Medienpräsenz entstehe.
Deutschlands jüngste Abgeordnete geht - welche Botschaft will Anna Lührmann damit transportieren? Als sie in den Bundestag kam, wollte sie zeigen, "dass Politik nicht nur von älteren Herren gemacht wird". Nun sagt sie: "Eigentlich hat mich die Arbeit im Parlament positiv überrascht." Politiker seien besser als ihr Ruf.
Das Risiko, Bodenhaftung und Realitätsbezug zu verlieren, sei schließlich nicht auf den Politikerberuf beschränkt. "Es gibt in der Politik die Gefahr, krass zum Apparatschik zu werden. Aber diese Gefahr gibt es auch bei Managern oder in anderen Karrierejobs."
Sie habe lernen müssen, dass es neben der Politik auch andere wichtige Dinge im Leben gebe. In ihrem ersten Parlamentsjahr habe auch sie zu oft "im Anzug auf wichtig gemacht", bis im "Stern" der Artikel erschien: "Anna ist früh vergreist." Das sei unfair gewesen, aber es hat ihr zu denken gegeben.
Auf ihrer Hitliste für Bücher im Internet steht der Titel: "Das magische Gefühl, unverwundbar zu sein" - ein Tagebuch von Revolutionär Ernesto Che Guevara. Annas Kommentar: "Nicht nur mit dem Che-Guevara-T-Shirt rumrennen, sondern auch das Buch lesen!"
Ihre Abschlussarbeit an der Fern-Universität Hagen beschäftigt sich mit der Rolle der Vereinten Nationen im Darfur-Konflikt (Sudan). "Mich interessiert noch so viel, auch außerhalb der Politik", sagt Anna Lührmann. Wenn sie nach der Bundestagswahl 2009 nach Afrika geht, möchte sie gerne bei der Uno oder der EU arbeiten. "Dass ich in den Sudan gehe, zeigt ja: Ich will nicht ausschließlich als Hausfrau und Mutter leben."
Eine spätere Rückkehr ins Parlament ist allerdings nicht ausgeschlossen. Sie könne sich "gut vorstellen, eines Tages wieder in die Politik zu gehen".