Anne Sinclair: Willensstark, mutig, leidensfähig
Anne Sinclair ist seit 20 Jahren die Frau an Dominique Strauss-Kahns Seite — und steht auch beim Prozess zu ihm.
Paris. Je tiefer der Fall des französischen Politikers Dominique Strauss-Kahn, desto heller erstrahlt das Antlitz seiner Frau. Anne Sinclair, seit 1991 die Frau an seiner Seite, kämpft wie eine Löwin für ihren über eine Sex-Affäre gestrauchelten Ehemann. Was für eine Frau. So willensstark und mutig, leidensfähig und treu, tapfer und beherrscht: Für viele Franzosen ist sie zur Heldin aufgestiegen.
Dominique Strauss-Kahn und Anne Sinclair: Die beiden geben ein schillerndes Powerpaar. Hier der sozialistische Politstar, der an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu einem der mächtigsten Männer der Finanzwelt aufgestiegen ist. Dort die sehr angesehene und vermögende Journalistin. Er war der sozialistische Hoffnungsträger, galt sogar als möglicher neuer Präsident.
Doch an jenem verhängnisvollen 14. Mai geschieht das Unfassbare: New Yorker Polizisten verhaften Strauss-Kahn wegen des Vorwurfs, im Hotel in Manhattan ein Zimmermädchen sexuell belästigt und vergewaltigt zu haben.
Fernsehsender schicken dramatische Bilder um die Welt. Manch andere wäre vor Scham im Boden versunken, Anne Sinclair bewahrt die Contenance und holt — ganz „Grande Dame“ — zum Gegenangriff aus. Sie erklärt ihren Gatten für unschuldig. Ihre Theorie: DSK, wie Strauss-Kahn in Frankreich genannt wird, sei das Opfer eines abgekarteten Spiels.
Die Frau an seiner Seite — im Falle Anne Sinclairs klingt dies stereotyp und ziemlich abgestanden. Denn in Wirklichkeit wirft sich die Unnachgiebige in der Schlacht der Rechts- und Staatsanwälte schützend vor ihn. Und boxt ihn erfolgreich raus — vor allem dank ihres immensen Reichtums: Gegen eine Kaution von einer Million Dollar und einer Bankgarantie über fünf Millionen Dollar plus elektronischer Fußfessel und Videoüberwachung kommt Strauss-Kahn auf freien Fuß.
Die meisten Franzosen kennen die 62-Jährige nur als erfolgreiche Fernsehjournalistin. Beim größten französischen Sender steigt sie in den Achtzigern von der Moderatorin eines Polit-Magazins zur Generaldirektorin auf. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, als ihr Mann 1997 zum Finanz- und Wirtschaftsminister ernannt wird, beendet sie ihre TV-Karriere. Geld war für sie nie ein Antrieb, davon besitzt die Erbin eines Kunsthändlers genug.
Anne Sinclair ist dennoch Kummer gewöhnt: 2008 wird DSK beschuldigt, sein Amt missbraucht zu haben, um eine Geliebte, eine IWF-Angestellte, befördert zu haben. Das Verfahren wird eingestellt. Anne Sinclair verzeiht ihm den Seitensprung. Sie schreibt: „Wir lieben uns wie am ersten Tag.“