Auf dem Sprung: Perfekter Pop von Gotye
Berlin (dpa) - Das Musik-Jahr geht zu Ende, da kommt kurz vor Toresschluss ein nahezu perfektes Popalbum auf den Markt: „Making Mirrors“ von Gotye.
Den Namen muss man noch nicht kennen, aber man sollte ihn sich merken. Denn nächstes Jahr wird man den Australier mit belgischen Wurzeln vermutlich als neuen, frischen Popstar wiedersehen.
Dass hier ein Riesentalent nach den Sternen greift, wird schon mit den ersten, sinfonisch-sphärischen Klängen des kurzen Titelsongs überdeutlich. Sieht man erst das Bodypainting-Video zur grandiosen Single „Somebody That I Used To Know“ (ein Duett mit der neuseeländischen Sängerin Kimbra), dann verfliegen die letzten Zweifel: Gotye - der wird groß.
Da ist zunächst diese Stimme: ein äußerst geschmeidiges Organ, das an berühmte Soulsänger der Sixties, in den hohen Lagen an Sting zu Police-Zeiten, dann wieder an Peter Gabriel erinnert.
„Das ist schmeichelhaft, denn ich mag deren Arbeit und finde, beide sind großartige Sänger“, sagt Gotye (31) im Interview der Nachrichtenagentur dpa. Er räumt aber auch ein: „Manchmal bin ich etwas verstört deswegen, weil vor allem Sting in den letzten Jahren so eine Art Posterboy für uncoole, erwachsene, zeitgenössische Musik geworden ist. Das ist natürlich nicht meine Idee beim Musikmachen.“
Gotyes Idee scheint eher ein vielfarbig schillernder, weltumspannender Begriff von Popmusik zu sein. Indierock, Folk, Dub-Reggae, Weltmusik und Motown fließen auf „Making Mirrors“ (Universal) ineinander. Dabei könnte ein recht mühevolles Patchwork entstehen, aber wie durch ein Wunder klingt dieses mit liebevollen Details gespickte Album schwerelos und wunderbar organisch.
„Ich suche immer nach Sounds - ob Aufnahmen von mir gesammelter Instrumente oder meiner Stimme“, sagt der in Melbourne lebende Multi-Instrumentalist. Das ging so weit, dass Gotye eine Basslinie mitten in der Natur des australischen Outbacks fand. Der Winton Musical Fence besteht aus fünf mit Zaunpfählen verbundenen Metallseilen und einer Echokammer - das resultierende Sound-Sample ziert nun den neuen Song „Eyes Wide Open“.
Er versuche eben immer, „mit Sounds zu experimentieren, die etwas anders als gewöhnlich sind“, erklärt Gotye seinen Anspruch. Das Vorgänger-Album „Like Drawing Blood“ (2008) bestand fast komplett aus solchen Versatzstücken - vor allem Samples von alten Vinyl-Platten. Schon diese Scheibe war ein kleines Pop-Meisterwerk, sie wurde von Kritikern zum Album des Jahres und kürzlich gar zu einer der besten australischen Platten aller Zeiten gewählt.
Auf diesem Status baut Gotye nun selbstbewusst auf. Der unwiderstehliche Hit „Somebody...“, das groovende „Smoke And Mirrors“, der ausgelassene Soul von „I Feel Better“ oder das von Gotyes künstlich tiefer gelegter Stimme geprägte Reggae-Stück „State Of The Art“ - allesamt feine Songs, die zwar ganz unverblümt Pop sind, aber die Intelligenz anspruchsvoller Hörer nie beleidigen.
Das federleichte „Giving Me A Chance“ und das afrikanisch angehauchte „Save Me“ leiten das letzte Albumviertel in ein ruhiges Fahrwasser. Besonders stolz ist Gotye auf den Abschluss von „Making Mirrors“: „Ich denke, der beste Song, den ich bisher geschrieben habe, ist "Bronte". Das ist der Song, in dem ich am besten festgehalten habe, welches Gefühl ich in meiner Musik vermitteln will.“
Bleibt noch der Künstlername zu klären. Der junge Australier wurde als Wouter „Wally“ de Backer in Brügge geboren - die französische Version von Wouter ist Gauthier, daraus wurde die griffige Kurzform Gotye. Wäre ja auch schade, wenn ein sperriger Name dem internationalen Erfolg von „Making Mirrors“ im Wege stünde.
Konzerte von Gotye mit Band im Februar 2012: 21.2. Berlin, 24.2. Hamburg, 25.2. Köln, 26.2. München