Baumklettern: In Windeseile in den Wipfel
Im Park von Schloss Dyck erklettert sich Weltmeister Bernd Strasser seinen siebten deutschen Meistertitel.
Jüchen. Natürlich ist Bernd Strasser schon als kleiner Junge auf Bäume geklettert, daheim auf der Schwäbischen Alb. Der 40-Jährige tut es bis heute fast jeden Tag bei fast jedem Wetter. Aber mit dem Klettern aus Kindertagen hat das nichts mehr zu tun. Strasser klettert beruflich, er ist seit 20 Jahren Baumpfleger und einer von mehr als 3000 bezahlten Baumkletterern in Deutschland.
Unter ihnen ist Strasser die unumstrittene Nummer Eins: Er ist achtfacher Weltmeister und seit Samstagabend zum siebten Mal deutscher Meister.
Wer Auf-Bäume-Klettern für einen risikofreudigen Funsport hält, irrt gewaltig: "Hier klettern nur Profis, keine Amateure", betont Frank Rhinn, Organisator der Deutschen Meisterschaft im idyllischen Schlosspark Dyck in Jüchen. Den exotischen Bäumen im dortigen englischen Landschaftsgarten wird kein Blatt gekrümmt. Denn Baumkletterer lieben Bäume: "Man muss schon einen Bezug zu Bäumen haben", sagt Strasser. "Es ist zu meiner Berufung geworden. Das Klettern ist für uns nur Werkzeug, um Gutes für die Bäume zu tun."
"Er hat einen absolut fehlerfreien Wettbewerb geklettert", sagt Organisator Rhinn über Strasser: "Er ist nicht der schnellste Kletterer, aber auf jeden Fall der sicherste." Deswegen ist Bernd Strasser auch - abgesehen von ein paar blauen Flecken - noch nie etwas passiert bei seiner Arbeit in schwindelerregender, schwankender Höhe, wo er auch noch oft mit einer Motorsäge hantieren muss: "Das hat schon Gefahrenpotenzial. Aber der gefährlichste Teil ist der Weg hin zum Baum", sagt der Kletterer nach dem Titelgewinn.
Der professionelle Baumkletterer klettert mit Helm und gesichert am Seil. Die Disziplinen heißen: Fußklemmtechnik, Schnellklettern, Wurftechnik, Höhenrettung und Arbeitsklettern. 500 Zuschauer beobachteten am Wochenende die 70 Kletterer bei den Deutschen Meisterschaften. Es ist ein Berufswettbewerb der Internationalen Baumpflege-Gesellschaft ISA.
Seit 15 Jahren ist das Baumklettern in Deutschland von der Berufsgenossenschaft anerkannt und zugelassen - und sogar "ein boomender Markt", sagt Rhinn.
Beruflich erklimmen die Wipfelstürmer vor allem Stadtbäume. "Nicht überall kommt eine Arbeitsbühne hin - zum Beispiel auf dem Friedhof", sagt Rhinn. Außerdem sei ein Kletterer für die Kommunen meist günstiger als ein Team mit teurer Hebebühne. Tote Äste absägen, bevor diese auf Fußgänger oder Fahrzeuge krachen, Baumkronen lichten, Fahrbahnen von tief hängenden Ästen freihalten - das zählt zum Aufgabenprofil des Profi-Kletterers.
Strasser klettert nebenbei noch durch Bäume in aller Welt: Im Juni bei der Europameisterschaft in Prag und im Juli bei der WM in Illinois/USA.