Bayerische Omas stricken für den Internetverkauf
München (dpa) - Stricken, Häkeln, Nähen: Selber machen liegt nach wie vor im Trend. Jetzt kann auch auf der Do-it-your-self-Welle mitschwimmen, wer selbst nicht stricken kann: Bei Strickliebling produzieren bayerische Omas Handgestricktes für den Internetverkauf.
Bei Monika Trattner zu Hause stapelt sich die Wolle, erzählt sie: Knäuel aus verschiedenen Materialien und in unterschiedlichen Farben füllen mehrere Boxen und eine große Holztruhe. Die 67-Jährige strickt auch mal „locker 14 Stunden am Tag“, sagt sie. Die Großproduktion übersteigt bei weitem den Bedarf der eigenen zwei Enkel, deshalb strickt die Rentnerin, Masche für Masche, für den Internetshop „Strickliebling“. Auf der Plattform sorgen bayerische Omas dafür, dass auch diejenigen selbst gemachtes an Enkel und Kinder verschenken können, die selbst nicht stricken können.
Die Inhaberin von Strickliebling, Almut Winter, strickt nach eigenen Worten selbst auch viel. Sie sei immer wieder gefragt worden, ob sie nicht auch mal was für Freunde machen könne, sagt sie. Richtig Lust hatte sie dazu nicht. Weil die Nachfrage nach Selbstgemachtem aber so groß war, entstand gemeinsam mit Geschäftspartnerin Nadine Rumpf die Idee zu Strickliebling: Die Handarbeiten von älteren Damen über das Internet zu verkaufen, die Lust und Zeit haben, zu stricken. Über Zeitungsannoncen oder bei Besuchen in Altenheimen wurden die Damen zum Oma-Casting eingeladen. Wer von den Damen Lust hat, gesundheitlich fit ist und eine gute Probe-Arbeit für Strickliebling abgegeben hat, kann für den Internetverkauf in Produktion gehen. In Spitzenzeiten stricken bis zu 30 ältere Damen aus dem Großraum München für Strickliebling, sagt Inhaberin Almut Winter.
Verkauft werden beispielsweise Pullover und Stulpen. Der Renner sei aber gestrickte Tracht für Kinder. Die Kunden kommen aus ganz Deutschland, viele aus dem Norden und dem Rheinland. „Bei uns kaufen viele Frauen, die selbst Omas sind. Sie können selber nicht so schön stricken und wollen ihren Enkeln aber trotzdem etwas Handgemachtes schenken“, sagt Nadine Rumpf. Und auf die Omas ist Verlass: „Da stimmt jede Masche, das macht auch die lange Erfahrung“, sagt Winter. Almut Winter beliefert die Omas - je nach Zeit und Vorliebe der Damen - mit Wolle und Strickmustern.
Auch wenn viele inzwischen selbst handarbeiten, gehen Strickliebling nicht die Kunden aus. Für die Sprecherin der „Initiative Handarbeit“, Anja Probst-Bajak, ist das logisch: Die Generation der 35 bis 45-Jährigen habe nie gestrickt, habe aber wie viele andere eine Vorliebe für Handgemachtes. Diese Vorliebe, so das Ergebnis einer Trend-Analyse im Auftrag der „Initiative Handarbeit“, ist Ausdruck eines Wertewandels in der Gesellschaft: Weg vom ewig gleichen Warenangebot hin zu mehr Individualität und Langlebigkeit.
Dass der Trend zum Selbstgemachten und selbermachen weiter anhält, zeigt auch der Umsatz der Handarbeitsbranche in Deutschland: Der ist laut einer Erhebung der „Initiative Handarbeit“ im Jahr 2012 um 15 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro gestiegen. Stricken und Häkeln machen dabei den größten Umsatzanteil aus. Die Kunden gaben in 2012 insgesamt 430 Millionen Euro für Wolle und Garn aus, knapp 20 Prozent mehr als im Vorjahr.
„Strickliebling“ gibt es seit knapp zwei Jahren. In der Zeit gab es mit den Omas auch hin und wieder Probleme: Eine der Damen habe alles gehäkelt statt gestrickt - wenn ein Internetportal „Strickliebling“ heißt, eher ungünstig. Manch andere Dame habe aus einem Schubfach bei sich zu Hause noch Wollreste gekramt und kurzerhand Ränder in wilden Farbkombinationen an die Kleidungsstücke gestrickt. „Am Anfang hatten wir viel Schwund“, erzählt Winter. Aber es sei ja nicht nur ein Geschäftsmodell, sondern auch ein Projekt: „Es gibt viele ältere Frauen, die haben nichts zu tun und kaum Kontakte.“ Winter und Rumpf glauben, dass die Omas, die für den Internetverkauf stricken, das Gefühl bekommen, gebraucht zu werden.