Bestattungen: Vaters Urne ruht im Garten
Eine Familie aus Sankt Augustin hat einen Weg gefunden, den Friedhofszwang zu umgehen.
Sankt Augustin. Vater ruht jetzt im Blumenbeet. Barbara Meier (48) und ihre Mutter Juliane (72) (Namen von der Red. geändert) aus Sankt Augustin haben seine Urne dort beerdigt. Julianes Ehemann starb an Krebs, mit 77 Jahren. Dass er eingeäschert wird, war klar. Doch die Vorstellung, dass ihr Mann auf einem kilometerweit entfernten Friedhof begraben wäre, machte der 72-Jährigen zu schaffen. Wie sollte sie jeden Tag dort hinkommen und auch bei Eis und Schnee das Grab pflegen? "Es wäre eine große Last gewesen", sagt Juliane Meier.
"Können wir den Papa nicht bei uns behalten", platzte es aus Tochter Barbara heraus, als sie mit dem Bestatter in Siegburg sprach. Das verbietet aber das deutsche Gesetz. Die Urne muss auf einem Friedhofsgelände bestattet werden. Man kann den Friedhofszwang jedoch umgehen: etwa über die Schweiz, wo das Bestattungsrecht ebenso wie in Holland liberaler ist.
Man muss nur einen Grabplatz dort kaufen und diesen in Deutschland nachweisen können. Die Urne wird zunächst über die Grenze geschickt, erläutert der Inhaber des Bestattungsunternehmens "Oase der Ewigkeit", Dietmar Kapelle. Doch das ist bei vielen Kunden nur ein formaler Akt. Denn Kapelle schickt ihnen die Urne wieder zurück - offiziell nur für eine Zeit der Abschiednahme. Doch: "Diese Frist ist nicht begrenzt", sagt Kapelle. Die Angehörigen können die Urne so lange behalten, wie sie wollen.
Kapelle selbst hält diese Verfahrenweise für legal. Allerdings, so sagt er, sei es in einigen südlichen Bundesländern bereits vorgekommen, dass bei Aufdeckung des Sachverhalts das Ordnungsamt die Betroffen aufgefordert habe, die Urne zurück in die Schweiz zu schicken.
Seit 2002 ist Kapelle im Geschäft, bei rund 3500 Fällen von insgesamt etwa 5000 Einäscherungen habe er die Urne zurückgeschickt. "Der Bedarf ist riesengroß." Und die Anzahl der Menschen, die sie wiederhaben wollen, wachse stark. Aus vielen Gesprächen mit Kunden wisse er "wie glücklich sie mit dieser Möglichkeit sind".
Juliane Meier sagt: "So ist er immer noch bei mir. Es ist so beruhigend." Oft spricht sie im Geiste mit dem Verstorbenen, 53 Jahre waren sie verheiratet. Tochter Barbara macht es genauso, nur dass sie laut mit ihrem verstorbenen Vater spricht. "Ich sag ihm zum Beispiel wie’s im Fußball steht", erzählt sie fröhlich. "Das hätte ihn bestimmt interessiert."
Zunächst war Barbara Meier jedoch unsicher, als ihr der Siegburger Bestatter die aus der Schweiz zurückgesendete Urne in die Hand drückte. "Doch dann habe ich sie so neben mich auf den Beifahrersitz gestellt, angeschnallt und gesagt: ,Papa, wir fahren jetzt nach Hause!’" Seitdem sei sie glücklich mit der Heimbestattung. Zuerst kam die Urne ins Wohnzimmer, daneben eine Kerze und die Trauerpost. Dann gab es eine Trauerfeier. Schwierig war, dass der Pfarrer nichts von der Heimbestattung erfahren sollte. "Wir dachten, das sei illegal", sagt Meier.
Jürgen Salm, Sprecher des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der Bestatter, findet es falsch, den Friedhofszwang zu umgehen. Andererseits respektiere er den Wunsch der Angehörigen, betont er: "Solange mit der Urne pietätvoll umgegangen wird, ist das in gewisser Weise verständlich."
Das Gesetz habe seinen Sinn. Was geschehe etwa, wenn die Urne im Garten vergraben sei, der Hausbesitzer wechsle und die neuen Eigentümer auf das Grab stoßen. "Schlimmstenfalls wird die Urne dann irgendwo würdelos entsorgt." Zudem gebe es mittlerweile so viele alternative und günstige Formen der Bestattung wie Friedwälder oder Kolumbarien, dass eine Auflockerung des Friedhofszwangs unnötig sei.
Die Meiers wollen es aber so, wie es ist. "Mit Mama würde ich es nicht anders haben wollen", sagt Barbara. Eines könne sie sich jedoch nicht vorstellen: "Wenn meine Tochter sterben würde, könnte ich sie nicht hier behalten. Das wäre zu krass." Mutter Juliane nickt: "Wenn es mit den Generationen durcheinander geht, wird es schwierig."