Ein Bauer kämpft gegen die Pipeline
Heinz-Josef Muhr stellt sich Bayer-Plänen entgegen.
Monheim. Am Rand von Monheim sitzt Heinz-Josef Muhr (76) zwischen Blumentöpfen unter einer Markise. Hinter der Terrasse beginnt sein Garten, hinter dem Zaun seine Felder. Tief unter den Zuckerrüben hat der Chemiekonzern Bayer eine Pipeline vergraben, die hochgiftiges Kohlenmonoxid von Dormagen nach Krefeld-Uerdingen transportieren soll. Geht es nach Bayer, wird die Leitung so bald wie möglich in Betrieb genommen. Geht es nach Bauer Muhr - "nie".
Kohlenmonoxid sei unverzichtbarer Rohstoff für die Produktion von Kunststoff, begründet Bayer. Weil am Standort in Uerdingen nicht genug Kohlenmonoxid produziert werden könne, müsse das farb- und geruchlose Gas durch die 67 Kilometer lange Pipeline von Dormagen nach Uerdingen geleitet werden.
Heinz-Josef Muhr besorgte sich im Monheimer Rathaus die Pläne von Bayer und erkannte sofort: Zum dritten Mal sollte es seinem Grundstück an den Kragen gehen. "Zuerst kamen vor vielen Jahren, als mein Vater noch den Hof betrieben hat, drei Hochspannungsleitungen, dann die Autobahn 59, die mein Grundstück diagonal zerschnitten hat, und jetzt die Pipeline." Ein Enteignungsgesetz, das der Landtag 2006 beschloss, ließ Muhr keine Wahl. 3000 Euro bot Bayer ihm und einem Nachbarn zusammen als Entschädigung an. Muhr lehnte ab und klagte.
Entscheidend seien für ihn nicht die Wertminderung seines Grundstücks, oder die Zuckerrüben, die seitdem die Pipeline 1,4 Meter tief in die Erde unter ihnen gebuddelt wurde, gelb und welk die Blätter hängen lassen. Entscheidend sei die Gefahr, die vom Kohlenmonoxid ausgehe. "Wenn die Leitung einen Bruch hätte - zum Beispiel wegen eines Erdbebens, eines Terroranschlags oder eines Baggers, der aus Versehen draufstößt - gäbe es je nach Wind auf den nächsten 1,9 Kilometern kein Leben mehr. Drei Atemzüge, dann ist man tot. Sie können sich nicht wehren, sie können sich nicht schützen."
Rasch fand Muhr Unterstützung. Rund 110 000 Unterschriften gegen die Rohrleitung hat ein Zusammenschluss mehrerer Bürgerinitiativen bislang gesammelt. "In jeder Stadt und jedem Dorf entlang der Pipeline gibt es eine Initiative, jeweils mit zwischen einem und 50 Leuten", sagt Dieter Donner, Sprecher des Zusammenschlusses "Stopp CO-Pipeline". Bayer bestreitet die Vorwürfe: Die Pipeline sei sicher.
Die CO-Pipeline hat schon mehrere Gerichte beschäftigt. Teilerfolge gab es für beide Seiten. Zur Zeit liegt das Verfahren auf Eis - wann der nächste Termin stattfinde, sei noch nicht abzusehen, heißt es am Düsseldorfer Verwaltungsgericht. Ob der herzkranke Bauer Muhr ein endgültiges Urteil noch erleben wird, daran glaubt er nicht. "Aber ich will mir nie den Vorwurf machen müssen, dass ich es nicht versucht hätte."