BGH spricht Hells Angel nach Polizistentod frei
Karlsruhe/Koblenz (dpa) - Eineinhalb Jahre nach dem tödlichen Schuss auf einen Polizisten in Rheinland-Pfalz hat der Bundesgerichtshof (BGH) den deswegen angeklagten Rocker freigesprochen.
Die Richter hoben in höchster Instanz ein Urteil des Landgerichts Koblenz auf, das Ende Februar eine neunjährige Haftstrafe wegen Totschlags verhängt hatte.
Das Mitglied der Hells Angels habe sich von Mitgliedern des rivalisierenden Rockerclubs Bandidos bedroht gefühlt und in „Putativnotwehr“ gehandelt, teilte das Gericht am Donnerstag in Karlsruhe mit. Eine solche irrtümliche Annahme einer Notwehrlage sei im Ergebnis ebenso zu behandeln wie ein Fall tatsächlich gegebener Notwehr, befand der 2. Strafsenat des BGH in seinem Urteil (Az. 2 StR 375/11). Die Polizeigewerkschaften reagierten entsetzt auf den BGH-Spruch.
Der tödliche Schuss fiel am 17. März 2010, als Mitglieder eines Sondereinsatzkommandos (SEK) der Polizei am frühen Morgen mit einem Durchsuchungsbefehl in die Wohnung des Mannes in Anhausen im Kreis Neuwied eindrangen. Der im Schlaf überraschte Mann nahm nach BGH-Angaben an, „es handle sich um schwerbewaffnete Mitglieder der "Bandidos", die ihn und seine Verlobte töten wollten“.
Der Rocker schoss daraufhin gezielt durch die Tür. Ein 42 Jahre alter Polizeibeamter wurde tödlich getroffen; das Geschoss drang durch den Armausschnitt seiner Panzerweste ein.
„Dass es durch die Verkettung unglücklicher Umstände zum Tod des Polizeibeamten kam“, könne dem Angeklagten nicht angelastet werden, befand das BGH. „Weil dieser seinen Irrtum auch nicht fahrlässig verursacht hatte, konnte er auch wegen fahrlässiger Tötung nicht verurteilt werden.“
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte sich nach dem Spruch aus Karlsruhe bestürzt. GdP-Vorsitzender Bernhard Witthaut: „Das Urteil kann dazu führen, dass Schwerstkriminelle glauben, sie dürften durch Türen schießen, wenn die Polizei sie festnehmen will. Das ist ein ebenso fatales wie falsches Signal.“ Die kleinere Deutsche Polizeigewerkschaft bezeichnete das Urteil als Katastrophe. „Damit wird Menschen, die im Rockermilieu leben und sich ständig von konkurrierenden Banden bedroht fühlen, ein Freibrief zum ungehinderten Schießen erteilt“, sagte der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Werner Kasel in Mainz.