Bio-Sprit aus alten Brötchen
Der Wissenschaftler Timo Broeker stellt aus Brot-Abfällen Bioethanol her.
Lemgo/Rockstedt. „In Deutschland wird jährlich ein Überschuss von 600 000 Tonnen Brot produziert“, sagt Timo Broeker. „Wenn wir schon so viel Brot wegwerfen, dann sollten wir wenigstens dafür sorgen, dass es noch effizient genutzt wird“, fordert der Wissenschaftler am Institut für Lebensmitteltechnologie der Hochschule Ostwestfalen-Lippe und schwenkt einen großen Glaskolben mit der Aufschrift „Altbrot Maische“.
Broeker untersucht in Lemgo die Vergärung von Brot zu Bioethanol. Auch das Altbrot-Wasser-Gemisch in dem Glaskolben wird zu Kraftstoff weiterverarbeitet. „Die Möglichkeiten der Kraftstoffgewinnung ohne den Einsatz fossiler Energieträger sind sehr eingeschränkt“, sagt Broeker. „Und mit Bioethanol können wir schnell etwas erreichen, ohne erst die Entwicklung neuer Technologien in der Autoindustrie abwarten zu müssen.“
In vielen Versuchen hat Broeker die Weiterverarbeitung von Stärke aus Brotabfällen zu Kraftstoff so weit optimiert, dass die Brennerei Rockstedt in Norddeutschland bereits einen erfolgreichen Großversuch starten konnte. Zehn Tonnen Altbrot hat die Brennerei durch zusetzen von Hefe und Enzymen zu 2453 Liter Bioethanol vergoren. Genug um fast 50 000 Litern Benzin die gesetzlich erforderliche Menge an Bioethanol beizumischen.
Ein Ergebnis, welches das Unternehmen nun nach Kooperationspartnern suchen lässt, um in die Produktion einzusteigen. „Wir entnehmen dem Brotabfall Stärke und Zucker. Was übrigbleibt, ist die sogenannte Schlempe. Und die kann dann immer noch zu Tierfutter verarbeitet oder zur Gewinnung von Biogas genutzt werden“, erläutert Geschäftsführer Holger Borchers.
Kaskadennutzung lautet der Fachbegriff für die stufenweise Nutzung von Abfallprodukten mit dem Ziel, den Wohlstandsmüll so lange weiterzunutzen, bis alle Inhaltsstoffe verwertet sind.
„Es funktioniert auch mit Pizza, Cornflakes und Torte. Besonders ertragreich sind alte Salzstangen.“ Timo Broeker will jedoch nicht reines Altbrot vergären. Das wird nämlich bereits in der Futtermittelindustrie genutzt.
„Im Unterschied zur Futtermittel-Industrie können wir aber auch vergammeltes Brot nutzen oder das angebissene Wurstbrötchen, das im Mülleimer landet.“ Bis zu 350 Milliliter Bioethanol haben die Lemgoer aus einem Kilogramm Abfall gewonnen.
Der Umweltverband BUND ist skeptisch: „Die Ethanol-Herstellung ist sehr energieaufwendig und damit nicht der effizienteste Nutzungsweg für Biomasse wie Lebensmittelreste“, erklärt Reinhild Benning. Zudem lehne der BUND den Einsatz von Biomasse im Tank ab, da die Effizienz der gängigen Motoren bislang so gering sei, dass ein Großteil der Energie ungenutzt entweiche.
„Klimaschutz ist mit Lebensmittelresten im Tank nicht sinnvoll zu betreiben. Stattdessen sollten Autohersteller Antriebe mit deutlich besseren Wirkungsgraden entwickeln.“
Als „interessanten Weg“ schätzt Frank Brühning vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie die Gewinnung von Energie aus stärkehaltigen Lebensmitteln ein.
Mögliche Probleme sieht er aber ebenfalls bei der Öko-Bilanz: „Es wird voraussichtlich wirtschaftlich erst interessant, wenn große Mengen Altbrot zur Verfügung stehen. Das würde aber lange Transportwege bedeuten.“ Für kleinere Unternehmen, die wie die Versuchsbrennerei dezentrale Kapazitäten vor Ort nutzen, sehe er hingegen eine lohnenswerte Nische.