Brände in Russland: Der radioaktive Alptraum

Die Angst vor Tschernobyl kehrt zurück: Die Brände in Russland setzen neue Strahlung frei.

Moskau. Radioaktive Gefahr in der Provinz, von Flammen bedrohte Munitionsdepots und immer wieder giftiger Smog in Moskau: Die schwersten Waldbrände in Russland seit Jahrzehnten werden für die Menschen immer beängstigender. Die Zahl der Feuertoten stieg gestern nach offiziellen Angaben auf 52.

Wegen der weiter andauernden Jahrhunderthitze und des Rauchs von den Torfbränden im Moskauer Umland erhöhte sich die Sterberate dramatisch. Nach Angaben des Moskauer Standesamtes stieg die Zahl der Toten im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um etwa 50Prozent auf 14 340.

Ein Ende der Dürre und sengend heißen Temperaturen, die vielerorts um die 40 Grad Celsius lagen, war nicht in Sicht. Auf dem Gelände des atomaren Forschungszentrums in Sarow etwa 400 Kilometer östlich von Moskau loderten am Freitag noch zwei Brände. Dort kämpfen Spezialkräfte seit Tagen gegen die radioaktive Gefahr.

Zuvor hatte Zivilschutzminister Sergej Schoigu auch davor gewarnt, dass die Brände radioaktiv verseuchten Boden im Gebiet von Brjansk aufwirbeln könnten. Brjansk befindet sich südwestlich von Moskau an der Grenze zu Weißrussland und zur Ukraine. Die Region ist seit der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 besonders stark von Radioaktivität betroffen. Die Stadt mit mehr als 400000 Einwohnern liegt etwa 300 Kilometer vom ukrainischen Tschernobyl entfernt.

Schoigu sagte, dass durch die Flammen Partikel in die Luft und so in andere Regionen gelangen könnten. "Bei uns arbeiten einige Labors, und wir kontrollieren die Situation im Gebiet von Brjansk sehr genau - besonders im Süden im Kreis Nowosykowsk, der bei der Tschernobyl-Katastrophe besonders stark verseucht worden war", sagte Schoigu.

Im Moskauer Umland waren Soldaten weiter damit beschäftigt, ein Übergreifen der Flammen auf Munitionsdepots zu verhindern. Sie brachten Raketen und Artillerie in Sicherheit. Wegen der starken Rauchentwicklung durch die Wald- und Torfbrände im Moskauer Umland war die gesamte russische Hauptstadt erneut in dichten Smog gehüllt.

Russland will seine Kräfte im Kampf gegen die Feuerwalze noch einmal weiter verstärken. Bis Montag will Regierungschef Wladimir Putin einen Plan für eine bessere technische Ausstattung der Feuerwehren und einen intensiveren Brandschutz vorlegen. Inzwischen griff die Feuersbrunst auch auf die russische Teilrepublik Dagestan in der Konfliktregion Nordkaukasus über. Dort vernichteten die Waldbrände in einem Dorf fast 60 Häuser.