Briten stoppen Flüge aus Scharm el Scheich
Kairo/Moskau/London (dpa) - Nach dem Absturz einer russischen Passagiermaschine hat Großbritannien aus Sorge vor Anschlägen den Start von Flugzeugen im ägyptischen Scharm el Scheich gestoppt.
Nachdem es nun mehr Informationen gebe, „machen wir uns Sorgen, dass das Flugzeug durchaus durch einen Sprengkörper zum Absturz gebracht worden sein kann“, teilte die Regierung in London am Mittwoch mit.
Am Abend werde es keine weiteren Abflüge in Richtung Großbritannien geben. Zunächst solle britischen Experten Zeit gegeben werden, die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort zu prüfen. Die Regierung ging davon aus, dass dies noch am Mittwoch abgeschlossen werde. „Wir betonen, dass es eine Vorsichtsmaßnahme ist“, hieß es in der Mitteilung.
Nach dem Start in Scharm el Scheich war am Samstag ein russisches Flugzeug über der Sinai-Halbinsel abgestürzt. 224 Menschen kamen ums Leben. Die Unglücksursache ist noch unklar. Es ist das schwerste Unglück in der Geschichte der russischen Luftfahrt.
In Ägypten beginnt jetzt die Analyse der Flugschreiberdaten. Wie das Ministerium für zivile Luftfahrt am Mittwoch mitteilte, konnten die Informationen vom Datenrekorder sichergestellt werden. Der Stimmenrekorder, der Tonaufnahmen der Gespräche von Pilot und Copilot sowie weitere Geräusche im Cockpit speichert, sei jedoch zum Teil beschädigt, hieß es. Hier müsse noch einiges getan werden, bevor die Daten extrahiert werden könnten. Bergungsteams weiteten die Suche am Unglücksort deutlich aus.
Die Bergungsmannschaften würden nun auf der Sinai-Halbinsel auf 40 Quadratkilometern nach Hinweisen für die Ursache der Katastrophe sowie nach weiteren sterblichen Überresten der Opfer suchen, sagte Russlands Zivilschutzchef Wladimir Putschkow. Zur besseren Übersicht des Trümmerfelds werden auch Drohnen eingesetzt. „Wir suchen Zentimeter für Zentimeter ab“, meinte Putschkow. Bisher hatten die Teams auf einem Gebiet von 30 Quadratkilometern gesucht.
Um den Absturz des Airbus A321 der sibirischen Firma Kolavia gibt es viele Spekulationen. Zuletzt berichtete die private Tageszeitung „Al-Masri al-Youm“ unter Berufung auf eine anonyme Quelle aus Ermittlerkreisen, ein Triebwerk sei explodiert. Hinweise auf einen Terroranschlag habe die Auswertung der Blackbox nicht gebracht.
Unmittelbar nach dem Absturz hatte ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) behauptet, dafür verantwortlich zu sein. Experten zweifeln, ob das stimmt. Die Behörden in Russland und Ägypten bezeichneten einen Anschlag als unwahrscheinlich. Die Agentur Interfax wiederum berichtete über ungewöhnliche Geräusche, die kurz vor dem Absturz aufgezeichnet worden seien.
Die Arbeiten an dem Wrack sind auch wegen Extremisten auf der Halbinsel extrem riskant. Bei einem Selbstmordanschlag auf dem Sinai kamen am Mittwoch mindestens vier Menschen ums Leben. Die Autobombe galt einem Club für Polizeibeamte westlich der Stadt Al-Arisch im Norden der Unruheregion. Die IS-Miliz bekannte sich in einer zunächst nicht verifizierbaren Twitter-Stellungnahme auch zu dem Attentat.
Weite Teile des Nordsinai sind militärisches Sperrgebiet. Es gibt immer wieder Anschläge auf Sicherheitskräfte und Kämpfe mit Toten auf beiden Seiten.
Die Extremisten bekräftigten am Mittwoch in einer Audionotiz im Namen des IS-Ablegers auf dem Sinai ihre Behauptung, den Absturz hervorgerufen zu haben. Gegebenenfalls werde man irgendwann nähere Informationen dazu veröffentlichen, hieß es. Die Stellungnahme konnte zunächst nicht unabhängig verifiziert werden..
Großbritanniens Verkehrsminister Patrick McLoughlin vermied vor laufender Kamera eine Antwort auf die Frage, ob London die ägyptischen Sicherheitsvorkehrungen für nicht ausreichend halte. Premierminister David Cameron habe am Vorabend über das Thema mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi am Telefon gesprochen. Al-Sisi ist seit Mittwoch in Großbritannien und trifft sich an diesem Donnerstag zu länger geplanten Gesprächen mit Cameron.
Aus Deutschland wurden bis zum Abend keine Einschränkungen des Luftverkehrs bekannt.