Sterbehilfe Wird Hilfe zum Suizid strafbar?
Am Freitag entscheidet der Bundestag über ein heikles Gesetz. Noch ist völlig unklar, wer sich durchsetzt.
Düsseldorf. Geht es um ethische Fragen, dann erlebt das Parlament immer wieder Sternstunden. So könnte es auch in der Sterbehilfe-Debatte am Freitag sein. Die Bundestagsabgeordneten müssen entscheiden: Soll es — anders als bisher — strafbar sein, wenn man einem zum Suizid Entschlossenen bei der Umsetzung seines Vorhabens hilft?
Weil ein Suizid keine Straftat ist — wer sich selbst tötet oder dies versucht, macht sich nicht strafbar — ist auch eine Beihilfehandlung nicht strafbar. Ohne Haupttat kann es keine strafbare Beihilfetat geben. Besorgt also der Arzt oder ein Angehöriger dem zur Selbsttötung Entschlossenen das tödlich wirkende Mittel, macht er sich nicht strafbar. Allerdings kann es anders sein, wenn man dem Sterbewilligen nach Einnahme des Medikaments nicht hilft und sich dann gegebenenfalls wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar macht. Daher lassen etwa Sterbehilfeorganisationen den Sterbewilligen nach der Verschaffung des Mittels allein, um nicht in eine solche Garantenstellung zu kommen.
Ein Sterbehilfeverein wie der des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch war denn auch der Auslöser für das Gesetzesvorhaben. Solchen Anbietern will man die Geschäftsgrundlage entziehen. Doch nicht nur diesen soll die organisierte Beihilfe zum Suizid unter Strafe verboten werden. Auch Ärzte und all jene, die die Suizidbeihilfe geschäftsmäßig anbieten, sollen sich strafbar machen.
Weil es um eine Gewissensfrage geht, gibt es im Bundestag keinen Fraktionszwang. Entsprechend haben sich hinter den vier Gruppenanträgen Abgeordnete versammelt, die sonst im politischen Tagesgeschäft nicht gemeinsame Sache machen.
Der weitgehendste Antrag formuliert: „Wer einen anderen dazu anstiftet, sich selbst zu töten oder ihm dazu Hilfe leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.“
Ein anderer Antrag, der nach der bisherigen Diskussion die besten Aussichten hatte, will die geschäftsmäßige, das heißt die auf Wiederholung angelegte Sterbehilfe verbieten. Damit — darauf weisen die Vertreter der Gruppenanträge drei und vier hin — würde sich auch ein Arzt dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen. Nämlich dann, wenn er nicht nur im Einzelfall bei der Selbsttötung hilft, sondern dies wiederholt macht.
Der Wuppertaler CDU-Abgeordnete Peter Hintze, der sich unter anderem mit dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach zusammengeschlossen hat, kritisiert ein solches Vorhaben gegenüber unserer Zeitung entschieden: „Auch in der kritischsten Phase des Lebens soll das Recht auf Selbstbestimmung gelten. Jeder Mensch hat ein Recht auf ein friedliches Entschlafen. Nicht Staatsanwälte gehören ans Sterbebett, sondern Angehörige und Ärzte.“
Der Gruppenantrag von Hintze, Lauterbach und weiteren Abgeordneten will nichts am Strafrecht ändern. Suizidbeihilfe soll straflos bleiben. Eine Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch soll es „Ärzten ausdrücklich ermöglichen, dem Wunsch des Patienten nach Hilfe bei der selbstvollzogenen Lebensbeendigung entsprechen zu können“.
Der vierte Antrag von Abgeordneten um die Grüne Renate Künast will diejenigen bestrafen, die die Sterbehilfe gewerbsmäßig anbieten, dies also tun, um damit Geld zu verdienen.
Für Unruhe sorgte in den vergangenen Tagen, dass sich die Fraktionsvorsitzenden von Union, SPD und Grünen trotz aufgehobenen Fraktionszwangs ausdrücklich hinter den Antrag stellen, der die geschäftsmäßige Sterbehilfe verbieten will. Das führt nun dazu, dass sich die Gegner einer Strafverschärfung, die vor allem die Straflosigkeit von Ärzten im Auge haben, eng zusammenschließen. Kommt es zu einer dritten Abstimmungsrunde (s. Infokasten), wollen sie so viele Stimmen noch unentschiedener Abgeordneter hinter sich bringen, dass eine Neuregelung verhindert wird. Es bliebe dann bei der bisherigen Rechtslage.