Meinung Sterbehilfe — wir brauchen Auswege statt Sackgassen

Menschenwürde — diesen hohen Wert unserer Verfassung werden am Freitag alle bemühen. Diejenigen, die sich in der Bundestagsdebatte für eine Strafbarkeit der Suizidbeihilfe einsetzen — weil es menschenunwürdig sei, einem anderen bei dessen Wunsch auf einen schnelleren Tod zu helfen.

Foto: Sergej Lepke

Doch auch diejenigen, die eben diese Hilfe weiterhin legal belassen wollen, können sich auf die Menschenwürde berufen: Es wäre menschenunwürdig, den selbstbestimmten Wunsch eines Sterbewilligen nicht zu berücksichtigen und ihn leiden zu lassen.

Mit dem Begriff der Menschenwürde kommt man nicht so recht weiter. Genauso wenig wie mit historischen Vergleichen. Wer Suizidbeihilfe mit dem Hinweis auf Euthanasie unter dem Nazi-Regime verbieten will, liegt ganz und gar falsch. Damals wurden Menschen ermordet, mussten fremdbestimmt sterben. Diese Verbrechen können nicht dafür herhalten, dass Menschen heutzutage nicht selbstbestimmt sterben dürfen. In Zeiten einer Hochleistungsmedizin, die statt sinnvoller Lebensverlängerung oft eher eine Sterbeverzögerung bringt, muss es Auswege geben.

Bei einer Strafbarkeit der Suizidbeihilfe auch für Ärzte wird es diese Auswege nicht mehr geben. Sondern nur noch Sackgassen. Was bleibt einem fest zum Tode Entschlossenen, der aus dem Leben scheiden will, wenn er auf die Hilfe eines Arztes nicht mehr zählen kann, weil dieser sich strafbar macht? Wer es sich leisten kann, reist in die Schweiz zu einem Sterbehilfeverein und nimmt einsam in anonymer Umgebung den Todestrunk. Oder er gerät in die Fänge von Geschäftemachern, deren Treiben die Politik doch gerade ein Ende machen will. Wer kein Geld hat, wählt eine der grausamen Methoden, mit denen sich in Deutschland jährlich 10 000 Menschen töten.

Kein Arzt wird gezwungen, Sterbehilfe zu leisten. Aber denjenigen Medizinern, die bereit sind, dem Patienten in höchster Not beizustehen, darf dies nicht unter Strafe verboten werden. Nur wenn ein Sterbewilliger einen vertrauensvollen Ansprechpartner hat, gibt es auch die Chance, dass er doch noch von einer anderen Lösung als dem selbstgewählten Tod überzeugt wird. Staatsanwälte gehören nichts ans Sterbebett, sagt der CDU-Abgeordnete Peter Hintze. Hoffentlich kann er die Mehrheit im Bundestag überzeugen. Jeder von uns könnte mal in die Situation kommen, ihm dafür dankbar zu sein.