Meinung Deutsche Bank muss durch das Tal der Tränen

An der Börse zeigte der Daumen gestern eindeutig abwärts: Nach dem ersten öffentlichen Auftritt von John Cryan, dem neuen starken Mann an der Spitze der Deutschen Bank, verlor die Aktie bis zu acht Prozent.

Meinung: Deutsche Bank muss durch das Tal der Tränen
Foto: Nele Eckers

Zuversicht hat der Brite bei den Anlegern nicht ausgelöst. Offenbar sind die Zweifel groß, dass der radikale Schrumpfkurs zum Ziel führt, dass eine kleinere Deutsche Bank wieder hohe Gewinne erwirtschaften kann.

Der Niedergang des Geldhauses, das einmal zu den angesehensten Unternehmen des Landes zählte, ist ohne Beispiel. Seit 2012 musste die Bank rund zwölf Milliarden Euro für Verfehlungen wie Zinsmanipulationen und fragwürdige Hypothekengeschäfte zahlen. Aktuell hat sie 4,8 Milliarden für Rechtsstreitigkeiten zurückgelegt. Ob das reicht, ist sehr fraglich. Der in München laufende Prozess gegen vier Ex- und mit Jürgen Fitschen einen amtierenden Vorstand der Bank hat das Zeug, Justizgeschichte zu schreiben.

Die Staatsanwälte werfen den Herren vor, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Trifft die Anklage zu, wurde an der Spitze des Unternehmens systematisch gelogen und betrogen. Um das Gericht in einem früheren Prozess zu täuschen, haben sich die Top-Manager angeblich in Rollenspielen bei ihren Anwälten vorbereitet. Auch deshalb geht es um Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall. Bei Verurteilung drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Cryan will all das hinter sich lassen. Er streicht Stellen, schließt Filialen. Auch die Aktionäre müssen leiden. Für 2015 und 2016 fällt die Dividende aus — das gab es in der Historie des einst so stolzen Hauses noch nie. Was bei dem britischen Sanierer allerdings fehlt, ist eine Vision, ein Konzept, was jenseits des Schrumpfens geschieht. Der Wettbewerb im Bankgeschäft ist hart wie nie, weil das Internet für grenzenlose Transparenz sorgt. Niedrige Zinsen und digitale Revolution setzen die Geldhäuser unter Druck. Die alten Geschäftsmodelle taugen nicht mehr, um Profit zu machen. Wie Cryan die Bank neu justieren will, bleibt diffus.

Klar ist nur, dass das Haus durch ein Tal der Tränen muss. Aber ansonsten scheint die Bank alles weiter so zu machen, wie sie es bisher gemacht hat — nur eben erheblich kleiner. Ob das reicht, wird sich in zwei, drei Jahren erweisen. Die Skepsis an der Börse war gestern jedenfalls so groß, dass John Cryan sicher sehr ins Grübeln gekommen ist.