Bürgerpreis der deutschen Zeitungen: Demokratischer Trotz gegen rechts

Seit 2004 leben Birgit und Horst Lohmeyer im Westen Mecklenburgs. Ihre neue Heimat gilt als Neonazi-Hochburg.

Jamel. Birgit und Horst Lohmeyer sitzen entspannt im Wohnzimmer. Kaffeeduft erfüllt den Raum, im Kamin knistert das Feuer, auf dem Fensterbrett lümmeln Katzen. Hier, auf dem alten Forsthof im westmecklenburgischen Jamel, hat das Künstlerehepaar aus Hamburg sein lange gesuchtes Idyll gefunden. Doch der Frieden ist trügerisch. Er endet an der Einfahrt zum Grundstück. Mitunter direkt am Haus, vor dem auch schon mal eine Fuhre Mist abgekippt wird oder Neonazis unverhohlen Drohungen aussprechen.

„Wir sind nicht gewollt. Und das bekommen wir deutlich zu spüren“, sagt Birgit Lohmeyer. „Angst ist ihr Prinzip“, ergänzt Ehemann Horst. Doch gemeinsam widersetzen sich beide den Einschüchterungsversuchen jener Männer, die den 40-Seelen-Ort vor den Toren Wismars für sich reklamieren und für die allein eine rechtsextreme Gesinnung die Eintrittskarte in ihre „nationale Dorfgemeinschaft“ ist. In gut der Hälfte der Häuser leben Familien, die der extremen Rechten zugeordnet werden.

Als Dorf der Neonazis hat Jamel jahrelang Schlagzeilen gemacht. Seit Lohmeyers 2004 zuzogen, steht Jamel aber auch für aufrechten Widerstand gegen Intoleranz und Hass: „Das ist unser demokratischer Trotz“, sagt die Krimiautorin. Er brachte dem Paar schlaflose Nächte, Anfeindungen von Dorfbewohnern, die sich der Dominanz der Neonazis gefügt hatten, aber auch Dank, Anerkennung und Ehrungen ein. Am Mittwoch erhalten die beiden Mittfünfziger in Berlin den Bürgerpreis des Deutschen Zeitungsverleger-Verbandes BDZV.

Als regelrechten Skandal bewertete der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, dass der Staat die braunen Umtriebe lange geduldet habe und nicht entschieden gegen rechtsextremistische Bedrohungen eingeschritten sei. Der Zentralrat der Juden hatte dem Ehepaar Lohmeyer für dessen Zivilcourage im Vorjahr den Paul-Spiegel-Preis verliehen und den Staat ermahnt, den Schutz seiner Bürger vor rechter Gewalt ernster zu nehmen. Da wusste noch niemand, dass die Mordserie an neun Gewerbetreibenden mit ausländischer Herkunft wohl auf das Konto einer Zwickauer Neonazigruppe geht.

Die jüngsten Erkenntnisse zur Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ zeigen für Horst Lohmeyer, dass die Gefahr von Rechts lange unterschätzt wurde. Auch beim Anführer der Neonazis in Jamel, dem mehrfach vorbestraften und derzeit wieder inhaftierten Abrissunternehmer Sven Krüger, waren im Vorjahr bei einer Hausdurchsuchung Waffen gefunden worden.

Mehrere Jahre lang war er als NPD-Vertreter im Kreistag von Nordwestmecklenburg. Für Lohmeyers ein Beleg für die enge Verzahnung gewaltbereiter Neonazis mit der rechtsextremen Partei, die auch im Landtag sitzt.

Für Lohmeyers steht indes fest, dass sie sich den fortgesetzten Anfeindungen durch die Neonazis in Jamel nicht beugen werden. „Das wäre ein falsches Signal. Im Gegenteil, wir versuchen noch mehr Vielfalt ins Dorf zu holen“, sagt Birgit Lohmeyer. Zu Pfingsten lädt der Forsthof erneut zu einer Veranstaltung im Rahmen der Aktion „Kunst offen“. Und nach dem sechsten „Förster-Rock“ im August soll es im September erstmals einen Open-Air-Gottesdienst in Jamel geben.