Cacau: „Im Herzen bin ich ein Deutscher“
WM: Auf Cacau ruht die Hoffnung der Fans. Am heutigen Mittwoch will der gebürtige Brasilianer unser Team ins Achtelfinale schießen.
Kapstadt. Er weiß, wer der erste deutsche Bundeskanzler war. Die Einbürgerungsprüfung hat er locker bestanden - seit Februar 2009 ist er deutscher Bürger - seine Mannschaftskameraden nennen ihn "Helmut". Tatsächlich heißt er Claudemir Jeronimo Barreto, besser bekannt als Cacau. "Im Herzen bin ich ein Deutscher", sagt der gebürtige Brasilianer. Und als Deutscher will er am Mittwoch - bei dem entscheidenden Spiel gegen Ghana - für den gesperrten Stürmer Miroslav Klose das riesige Stadion Soccer City stürmen. "Ich traue mir was zu. Es gibt keine Zweifel, wir können das schaffen", sagt er. Die Fans glauben ihm.
Doch nicht nur Deutschland fiebert mit dem 29-Jährigen. In einer 375000-Einwohner-Stadt in der Nähe São Paulos geht es während der Deutschland-Spiele heiß her: "Deutschlaaaand", tönt es durch die Straßen. Denn die versammelte Verwandschaft Cacaus mutiert derzeit zu Schwarz-Rot-Gold-Fans. "Wir hatten 35 Leute bei uns, und alle trugen Deutschland-T-Shirts", erzählt Mama Ana Barreto. Geht es nach der familiären Fangemeinde, so soll die ganze Welt nach heute Abend ihren Cacau kennen. Warum nur seine Ehefrau Tamara den Triumph vor Ort mitfeiern darf, dafür hat der Sport ler eine prag- matische Antwort parat: Die Flüge für den kompletten Familien-Clan seien schlicht zu teuer.
Elf Jahre ist es her, dass er seine Heimat verließ. Damals war er ein Niemand. Eigentlich begann die Karriere des immer strahlenden Nationalspielers wie so viele in den südamerikanischen Ländern: In seinem Geburtsort Mogi das Cruzes, auf der Straße. Die Verhältnisse, in denen er aufwuchs, waren arm. Seine Mutter war Putzfrau, sein Vater alkohol-krank. Als der Vater sich von Mutter Ana scheiden ließ, zog diese Cacau und seine beiden Brüder Vlademir und Ademir allein groß. Cacau verkaufte Getränkedosen, wusch Autos und mähte die Rasenflächen der Nachbarn.
Mit 13 Jahren dann nahm er an einem Probetraining bei "Palmeiras" in Sao Paulo teil und wurde in die Jugendmannschaft übernommen. Er entschied sich, Fußballer zu werden, bevor er eine eigene Persönlichkeit entwickeln konnte. Er war ein Kind. So, wie es die meisten Fußballer sind, wenn sie ihren angeblichen Traumjob verwirklichen. In Europa fasziniert viele die Glitzerwelt des Fußballs, in Ländern wie Brasilien treibt sie der tägliche Kampf ums Überleben an.
Doch Cacau schaffte den Sprung in die Profimannschaft nicht. Er wurde drei Jahre später aussortiert. "Ich war frustriert und traurig, denn meine ganze Hoffnung hatte darauf geruht. Von heute auf morgen zerplatzte dann mein Traum", schrieb Cacau auf seiner Homepage.
Ein Freund von Cacaus brasilianischem Trainer holte den jungen Kicker schließlich nach Deutschland. 1999 landet er in München. Zwei Jahre später kommt der Durchbruch: Er spielt beim Fünftligisten Türkgücü München so gut, dass der 1. FC Nürnberg auf ihn aufmerksam wird. Nach seinem Wechsel ins Schwabenland wird der Stürmer 2007 mit dem VfB Stuttgart Meister.
"Meine Stärken sind Schnelligkeit, Ballbeherrschung und der Torschuss", sagt der Spieler mit der markanten Brille über sich selbst. Doch das scheint noch nicht alles zu sein. Cacau passe einfach in seine Fußball-Philosophie, schwärmt Bundestrainer Joachim Löw. Vor allem seien es seine deutschen Tugenden, sein Ehrgeiz, sein Fleiß und seine Zurückhaltung, die den deutschen Brasilianer so wertvoll machten.
Heute will Cacau Deutschland ins Achtelfinale schießen. In Brasilien wird das Haus von Mutter Ana voll sein: "Ich stehe auf der Seite meiner Söhne, egal, wohin sie gehen, egal, welche Uniform sie tragen. Deutschland hat meinen Sohn umarmt und ihm alles gegeben", sagt sie.