450 Bohrtürme in der Nordsee
Experten halten ein Öl-Desaster wie im Golf von Mexiko auch in Europa für möglich.
Düsseldorf. Kaum ein Tag ohne neue Schreckensnachrichten aus dem Golf von Mexiko: Hatte die US-Regierung in der vergangenen Woche noch Schätzungen veröffentlicht, nach denen täglich bis zu 8200 Tonnen Öl aus dem lecken Bohrloch strömen, wurde jetzt ein interner Bericht des Konzerns BP bekannt, in dem es heißt, dass im schlimmsten Fall sogar pro Tag bis 13 600 Tonnen das Meer verseuchen.
Die Folgen für das sensible Ökosystem an der Küste Louisianas sind enorm. Und sie werfen die Frage auf, ob eine solche Katstrophe auch in heimischen Gewässern möglich wäre. Schließlich wurde Nordseeförderung nach der Ölkrise 1973 in großem Stil ausgebaut. Mittlerweile befinden sich dort rund 450 Ölplattformen, die meisten davon im britischen und norwegischen Sektor. "Das ist ein richtiges Industriegebiet", sagt Carlo van Bernem, Biologe am Institut für Küstenforschung in Geesthacht.
"Eine Ölkatastrophe wie im Golf von Mexiko kann sich auch in der Nordsee jederzeit ereignen", warnt Christian Bussau, Meeresbiologe bei Greenpeace. Als besonders risikoreich schätzt die Umweltorganisation die Förderung nahe den Shetland-Inseln ein. Dort wird das Öl mit Förderschiffen aus mehr als 400 Metern Wassertiefe gefördert - und zwar mit ähnlicher Technik wie an der explodierten BP-Plattform im Golf von Mexiko . "Falls es hier zu einem Unfall kommt, kann kein Mensch das Bohrloch erreichen. "
Die Gefahr einer Ölkatastrophe in Nordsee sieht auch van Bernem: "Die Ölquellen in der Nordsee sind ergiebig." Eine Katastrophe in einem Ausmaß wie derzeit im Golf von Mexiko sei denkbar.
Die einzige Bohrinsel im deutschen Wattenmeer, der Mittelplate A, schätzt der Experte jedoch als ungefährlich ein. "Das ist ein Hochsicherheitstrakt." Die Plattform, die mitten im Nationalpark Schleswig-Holsteins liegt, ist auf Sand gebaut und kann nicht untergehen. Zudem schotten Spundwände die Anlage ab.
Eine größere Gefahr gehe eher durch den Schiffsverkehr aus, meint von Bernem. Die südliche Nordsee ist eine meist befahrenen Schifffahrtsstraße der Welt, die Ostsee eine der Hauptverkehrsadern für Öltanker von Russland nach Deutschland. Van Bernem: "Das Risiko von Havarien ist groß." Auch weil sich nicht alle Reeder an die Vorschriften halten würden.