Charles: Der Prinz wird zum Volkshelden

Monarchie: Der britische Thronfolger ist unbequem, unverblümt und neuerdings überraschend erfolgreich.

London. Bye-bye Schrulligkeit, hello Trendhoheit: Prinz Charles lässt das Kampfschwert gegen Stadtplaner an der Themse kurz ruhen, um sich in Berlin mit einem Nachhaltigkeitspreis ehren zu lassen. Unbequem, unverblümt und neuerdings überraschend erfolgreich kommt der Thronfolger daher.

Der Aufruhr entzündete sich jüngst an einem Thema, das der 60-Jährige in der Vergangenheit gern mit "Eiterbeulen im Angesicht eines lieben Freundes" umschrieben hat: ein neuer Glas- und Stahlkomplex im Herzen Londons. Im vornehmen Chelsea wollen arabische Investoren 17 Wohnblöcke mit mindestens neun Etagen hochziehen. Gegenüber liegt das Royal Hospital, ein altehrwürdiges Pensionärsheim für Kriegsveteranen, die Traditionen ehern verteidigen.

Prinz Charles sah zu, wie der Planungsprozess ungeachtet vieler Anwohnerproteste seinen Lauf nahm und torpedierte ihn am Ende auf ungewohnte Weise: In einem Brief an die Scheichfamilie von Quatar machte er seinem Unmut Luft und attackierte den Architekten Richard Rogers. Dessen einflussreiche Kollegen rund um Sir Norman Foster kritisierten im Gegenzug, Charles wolle "den Lauf eines offenen und demokratischen Planungsprozesses verdrehen". Da er nicht demokratisch gewählt sei, dürfe er sein Renommee auch nicht für Tagespolitisches nutzen.

Doch der Mehrheit der Menschen spricht Charles offenbar aus der Seele. "Er gibt 60 Millionen Menschen eine Stimme", jubelt ein Leserbriefschreiber. "Er ist der Einzige, der den Mut hat, hässlicher Architektur entgegenzutreten." Recht plötzlich hat die Chelsea-Mission aus Charles einen Helden gemacht. Zuvor galt er als irrelevanter Steuerschlucker, der dem Volk bestenfalls Öko-Erdbeermarmelade zu Wucherpreisen andreht. Doch auch an dieser Front ist der Thronfolger rehabilitiert.

Er ist lange genug stehen geblieben, um von der Zeit eingeholt zu werden. Stets belächelt als schrulliger Kauz, der mit Blumen zärtlich spricht, menschlichen Gewächsen aber unbeholfen begegnet, zeichnet ihn nun das deutsche Öko-Establishment mit dem Nachhaltigkeitspreis aus. Für Charles könnte es ein nicht zu unterschätzender Vorteil sein, dass seine konventionelle, altmodische Art zum richtigen Zeitpunkt auf der Insel in Mode kommt. Vielleicht klappt es ja dann doch noch mit der Krönung.