„China kann auch Hollywood“
Markenprofi Bernd M. Michael über Chinas Image und die Wirkung der Olympischen Spiele.
Düsseldorf. Herr Michael, die Medien berichten betont kritisch über Olympia. Bahnt sich ein Image-Gau für China an?
Michael: Es ist nicht zufällig, dass es die Journalisten gruselt. Sie wollen ja gar nicht, dass China zu einer führenden Nation hochstilisiert wird. Sie wollen schlechte Nachrichten, weil sie den Gesetzen ihrer Branche gehorchen.
Aber die Kritik ist berechtigt. Da gab es dieses Mädchen, das bei der Eröffnungsfeier nur die Lippen bewegte, weil die eigentliche Sängerin als zu hässlich galt. Da gibt es die chinesischen Turnerinnen, die schon als Kinder verheizt werden.
Michael: Die Presse schämt sich nicht, sich daran hochzuziehen. Es ist lächerlich, sich über den Play-Back-Auftritt eines Kindes aufzuregen, während im Westen nahezu die Hälfte aller Künstler bei Auftritten nicht selbst singt. Die Eröffnungsfeier hat gezeigt: China kann auch Hollywood.
Sind die Chinesen überrascht über die geballte Medien-Skepsis?
Michael: Die Chinesen sind keine Narren. Sie wissen, dass sich die Medien auf den Weg gemacht haben, alles negativ darzustellen, was sich negativ darstellen lässt. Sie sind aber noch nicht so raffiniert wie die westlichen Strategen, die es beherrschen, Medien hinters Licht zu führen.
Politische Kommunikation läuft nun einmal über symbolische Themen - überall auf der Welt.
Michael: Das habe ich nicht bestritten. Aber Fakt ist doch: Der Westen hat ein paar lächerliche und ein paar harte Argumente, um China zu kritisieren. Die harten Argumente drehen sich um Meinungsfreiheit, Tibet und Menschenrechte. Nur: Wie kommen wir dazu, plötzlich diese Sportveranstaltung mit politischen Maßstäben zu messen? Dieses Geschrei hätte vor sieben Jahren stattfinden müssen, als China beauftragt wurde, die Spiele zu organisieren. Das ist doch alles scheinheilig!
Glauben Sie denn im Ernst, dass der Westen China kleinreden will?
Michael: Yes, Sir. Lange Zeit war die Welt übersichtlich, weil in zwei Blöcke geteilt. Plötzlich tauchen China, Brasilien, Russland und Indien auf und stellen die Führungsposition der westlichen Industriestaaten in Frage.
Deren Konkurrenz jagt uns verständlicherweise Angst ein...
Michael: Ich weiß nicht, warum wir Angst haben sollten. Das sind unsere wichtigsten Partner der Zukunft. Schon heute haben wir unser Wirtschaftswachstum doch den Märkten dieser Staaten zu verdanken. Wir sollten sie in den Arm nehmen und herzen und dabei froh sein, dass wir sie haben.
Aber ist der Argwohn des Westens nicht auch eine logische Reaktion auf die Undurchsichtigkeit des chinesischen Systems?
Michael: Wenn Sie den Fünf-Jahres-Plan der Regierung lesen, werden Sie sich wundern, wie kritisch das Land mit sich selbst ins Gericht geht. Was etwa die Umweltbilanz betrifft, werden da in schonungsloser Offenheit katas-trophale Zahlen genannt.
Was raten Sie als Markenprofi den Chinesen?
Michael: Um wettbewerbsfähig zu sein, dürfen sie sich nicht darauf beschränken, Technologien zu kopieren. Sie müssen eigene Innovationen entwickeln.
Abschied vom Plagiat?
Michael: Die Chinesen lernen schnell. Meine Prognose ist: In den nächsten zehn Jahren werden es die Chinesen schaffen, sich mit eigenen Marken auf dem Weltmarkt zu etablieren. Auch wird es ihnen gelingen, ihr Land selbst als Marke zu entwickeln.
Mit Olympia ist das ja gründlich daneben gegangen.
Michael: Abwarten. Natürlich wird es Menschen geben, die weiterhin mit einem Tibet-Fähnchen durch die Stadt laufen. Aber es wird auch Menschen geben, die sagen: Wer so eine sensationelle Eröffnungsfeier hinkriegt, dem kaufen wir auch ein Auto ab.
Die Macht der Bilder wird größer sein als die Macht der Worte?
Michael: So ist es. Die Menschen werden die schlechten Presseberichte schneller vergessen als die guten emotionalen Erlebnisse, die sie vor dem TV hatten. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.