Chuck Berry: Der heimliche King of Rock’n’Roll

Elvis schmückt sich mit dem Titel, den Chuck Berry genauso gut verdient hätte. Er inspirierte Dutzende Musiker.

Ney York. Wie kein anderer brüllte Chuck Berry auf der Bühne das Lebensgefühl der 50er und 60er Jahre heraus. Er brach Regeln, drosch absichtlich schief auf seine Gitarre ein, damit die Mädchen im Publikum noch lauter kreischten und seinen Watschelgang nachahmten.

Was er machte, war vollkommen anders und das wusste er auch. „Mach Platz, Beethoven und erzähl Tschaikowsky die Neuigkeiten“, feixte er selbstbewusst in seinem Hit „Roll Over Beethoven“. Am Dienstag feiert er seinen 85. Geburtstag.

„Wenn ihr dem Rock ‘n’ Roll einen anderen Namen geben wollt, solltet ihr ihn Chuck Berry nennen“, soll John Lennon einmal gesagt haben. Kein Wunder, die Beatles bedienten sich an seinen Titeln, bevor sie eigene Songs schrieben.

Von den 500 Cover-Versionen, die von Berry-Songs existieren, sind allein 16 von den Rolling Stones und den Beatles. Mit „Roll Over Beethoven“ gewannen die Pilzköpfe 1965 eine goldene Schallplatte.

Ursprünglich hatte Charles Edward Anderson Berry, der in San José (Kalifornien) zur Welt kam, andere Pläne als „Mr. Rock’n’Roll“ zu werden. Er schuftete am Fließband, um in Abendkursen Friseur zu lernen. Für ihn war das der absolute Traumberuf.

Dass er nebenbei in einem Amateurtrio Gitarre spielte, war das Resultat eines missglückten Raubüberfalls. In dem Heim für Schwererziehbare, in dem er landete, brachte er sich das Instrument selbst bei.

1955 erzielte er mit dem Hit „Maybellene“ den Durchbruch — mit einem aufregend zweideutigen Text: Die Analogie schnelle Autos und Liebesspiel verwendet Mick Jagger bis heute. Und einen Cadillac konnte sich Berry dann mit knapp 30 Jahren auch endlich leisten.

Danach schrieb er einen genialen Text nach dem anderen. Er betete „Sweet Little Sixteen“ an, forderte zum „Reelin’ and Rockin’“ heraus, erzählte von „Rock and Roll Music“, „Back in the USA“ und „Brown-Eyed Handsome Man“.

Er begeisterte sogar die Nasa: 1979 schickte die amerikanische Raumfahrtbehörde die Sonde Voyager auf eine Reise durchs Weltall. An Bord war auch ein Tonband mit musikalischen Errungenschaften der menschlichen Zivilisation: Neben Mozarts „Zauberflöte“ auch Berrys Hit „Johnny B. Goode“ (1958).

Seinen Watschelgang soll Berry einer Anekdote zufolge aus Verlegenheit kreiert haben. Seine Band kam vor einem Konzert so knapp an, dass keine Zeit zum Umziehen blieb. Um von seinen zerknautschen Klamotten abzulenken, watschelte und turnte Berry über die Bühne und die Mädels waren aus dem Häuschen.

Seine Karriere produzierte auch zahlreiche negative Schlagzeilen: 1962 musste er wegen einer Affäre mit Prostituierten für zwei Jahre hinter Gitter. 1979 musste er wegen Steuerhinterziehung für 100 Tage ins Gefängnis. Später ging es um Drogen und Pornos, die er mit Minderjährigen gedreht haben sollte.

Auch mit 85 Jahren macht Berry nichts lieber, als auf der Bühne zu stehen. Einmal im Monat packt er im „Blueberry Hill“ in St. Louis seine übergroße rote E-Gitarre aus und spielt seine Lieder. Mit Erfolg: Die Shows bis Februar sind bereits ausverkauft.