Contergan: Mitleid – aber nicht mehr Geld

Opfer Christian Knabe bekommt Post von Grünenthal-Chef Sebastian Wirtz.

<strong>Stolberg. Täglich werden in Deutschland Millionen Briefe zugestellt, dieser eine aber hatte für den contergangeschädigten Christian Knabe (46) eine ganz besondere Bedeutung. "Ich freue mich riesig, das ist eine prima Geste", so der Münchner. Unmittelbar zuvor hatte der Pressefotograf ein nach eigenen Angaben "sehr einfühlsames" Schreiben von Sebastian Wirtz erhalten, in dem ihn der Grünenthal-Firmenchef zu einem Treffen einlud. Ein Wendepunkt im hochbrisanten Verhältnis des Contergan-Herstellers zu den Geschädigten?

Auch 50 Jahre nach der Markteinführung von Contergan hat Grünenthal kein Schuldempfinden geäußert. Dass Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre weltweit 10000 Kinder zum Teil schwer fehlgebildet auf die Welt kamen, weil ihre Mütter während der Schwangerschaft das lange rezeptfreie Schlafmittel eingenommen hatten, nennt der Stolberger Konzern eine "unvorhersehbare Tragödie". Weder zu einer Entschuldigung noch zu einem Treffen mit den Opfern hat sich die Firmenleitung bisher durchringen können.

Aussöhnungsgesten ließ Wirtz auch in einem Interview erkennen. Er habe "Riesenrespekt" vor den Contergangeschädigten, sagte der 37-jährige Enkel des Firmengründers der Aachener Zeitung. Die Zeit sei reif, "das auszudrücken, was man empfindet". Wirtz schloss nicht aus, Kontakt zum Bundesverband Contergangeschädigter aufzunehmen.

Dieser Ansicht ist auch der Bund Contergangeschädigter und Grünenthalopfer, eine Abspaltung des Bundesverbandes. Dieser ruft seit dem 1. Oktober, dem 50. Jahrestag der Contergan-Markteinführung, zum Boykott von Produkten der Unternehmen der Familie Wirtz auf - wie etwa dem Duftwasser "4711".

Zahlungen Nach einem Vergleich mit den Opfern hatte Grünenthal 1971 rund 110 Millionen Mark in die "Conterganstiftung für behinderte Menschen" eingezahlt, der Bund steuerte weitere 100 Millionen Mark bei. Seit 1997 ist das Geld aufgebraucht. Der Fonds, aus dem die bundesweit noch etwa 2700 lebenden Opfer eine monatliche Rente von maximal 545 Euro erhalten, wird seither allein vom Bund finanziert.

Grünenthal Das Pharmaunternehmen (weltweit 4800 Mitarbeiter) macht einen Jahresumsatz von 860 Millionen Euro. Es produziert Schmerzmittel und Verhütungspillen.