Copilot brachte Germanwings-Airbus wohl gezielt auf Todeskurs

Marseille/Köln (dpa) - Der Copilot der über Frankreich abgestürzten Germanwings-Maschine hat den Airbus mit 150 Menschen an Bord wohl mit voller Absicht auf Todeskurs gebracht.

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„Es sieht so aus, als ob der Copilot das Flugzeug vorsätzlich zum Absturz gebracht und so zerstört hat“, sagte Staatsanwalt Brice Robin am Donnerstag in Marseille. Der 27-Jährige sei zu dem Zeitpunkt allein im Cockpit und der Pilot aus der Kabine ausgesperrt gewesen. Warum der Mann die Maschine in die Katastrophe steuerte, ist unklar. Hinweise auf einen Terrorakt gibt es laut Ermittlern und Bundesinnenministerium nicht. Als Konsequenz aus dem Absturz wollen die größten deutschen Fluggesellschaften nun die Zwei-Personen-Regel im Cockpit einführen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die Ereignisse eine Tragödie von schier unfassbarer Dimension und sagte: „So etwas geht über jedes Vorstellungsvermögen hinaus.“ Lufthansa-Chef Carsten Spohr sprach in Köln vom „furchtbarsten Ereignis in unserer Unternehmensgeschichte“. Germanwings ist ein Tochterunternehmen des Konzerns.

Die Ermittler hatten seit Mittwoch die Aufnahmen eines geborgenen Stimmenrekorders ausgewertet. Schreie von Passagieren sind erst in den letzten Sekunden vor dem Aufprall zu hören. An der Absturzstelle in den französischen Alpen bargen Rettungskräfte die ersten Opfer.

Vielerorts in Deutschland versammelten sich Menschen zu einer Schweigeminute für die 150 Insassen, von denen nach jüngsten Informationen des Auswärtigen Amtes 75 Deutsche waren.

Ermittler durchsuchten auf Ersuchen der französischen Justiz zwei Wohnungen des 27-Jährigen Copiloten, der aus Montabaur bei Koblenz stammte. Dort und in einem Haus in Düsseldorf suchten sie nach Hinweisen auf ein Motiv oder Anzeichen für eine psychische Erkrankung.

Der Pilot hatte nach den neuesten Erkenntnissen das Cockpit verlassen, um auf die Toilette zu gehen, und das Kommando seinem Kollegen übergeben. Als er zurück ans Steuer wollte, habe er die automatisch verriegelte Kabinentür nicht mehr öffnen können, schilderte der Staatsanwalt.

Die plausibelste Deutung gehe dahin, dass der Copilot vorsätzlich das Öffnen der Tür verhindert habe. Obwohl der Stimmenrekorder bis zuletzt schweres Atmen im Cockpit aufgezeichnet habe, der Mann also am Leben war, habe er auf Ansprache des Towers nicht reagiert. Ein Notruf sei nicht abgesetzt worden.

Lufthansa-Chef Spohr erläuterte, dass es für den Notfall einen Sicherheitsmechanismus in der Kabinentür gebe: Dafür ist von außen ein spezieller Code einzugeben - kommt keine Antwort, öffnet sich die Tür. Der Kollege im Cockpit könne dies aber blockieren.

Nach dem Absturz ziehen die größten deutschen Fluggesellschaften Konsequenzen: Sie wollen nun die Zwei-Personen-Regel im Cockpit einführen. Künftig soll sich kein Pilot während des Fluges mehr allein im Cockpit aufhalten dürfen, wie Matthias von Randow, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstagabend sagte.

Am Freitag solle die neue Regelung mit dem Luftfahrt-Bundesamt besprochen werden. Die Airlines wollen das neue Vorgehen unverzüglich umsetzen. Das betreffe etwa den Lufthansa-Konzern, Air Berlin, Condor und TuiFly. Zuvor hatten dies bereits auch die Airlines Easyjet und Norwegian angekündigt.

Bekannt war bereits, dass der Mann seit 2013 Copilot bei Germanwings war. Davor hatte er laut Spohr aber schon seit etlichen Jahren für den Konzern gearbeitet, auch als Flugbegleiter. Vor sechs Jahren habe es eine mehrmonatige Unterbrechung der Pilotenausbildung gegeben, danach sei die Eignung des Mannes nach allen Standards überprüft worden. „Er war 100 Prozent flugtauglich. Ohne jede Auffälligkeit“, sagte Spohr.

Dem Piloten selbst sei kein Fehlverhalten vorzuwerfen, er habe „vorbildlich gehandelt“. Spohr betonte: „Wir haben volles Vertrauen in unsere Piloten. Sie sind und bleiben die besten der Welt.“ Er sagte auch: „Wenn ein Mensch 149 Menschen mit in den Tod nimmt, ist das ein anderes Wort als Selbstmord.“

Die Luftaufsicht teilte mit, dass es bei den routinemäßigen Sicherheitsüberprüfungen des Copiloten keine Auffälligkeiten gab. Zuletzt sei ihm Ende Januar bescheinigt worden, dass gegen ihn keine strafrechtlichen oder extremistischen Sachverhalte vorliegen.

In den letzten Minuten, bevor der A320 an einer Felswand zerschellte, zeichnete der Rekorder auf, wie der ausgesperrte Kapitän und die Crew von außen gegen die Cockpit-Tür hämmern. Der Copilot habe nichts mehr gesagt, berichtete Robin. In den ersten 20 Minuten nach dem Start haben sich Pilot und Copilot demnach ganz normal unterhalten.

Der Airbus mit der Flugnummer 4U9525 war am Dienstag auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als er über Südfrankreich minutenlang an Flughöhe verlor und am Bergmassiv Les Trois Evêchés zerschellte.

Die Bergung und Identifizierung der Opfer in dem unwegsamen Gelände könnten nach Angaben der Staatsanwaltschaft mehrere Wochen dauern. Der zweite Flugschreiber sei noch nicht gefunden. Am Donnerstagabend wurde die Bergung mit Einbruch der Dunkelheit unterbrochen. Bis in die Dämmerung hinein waren noch Hubschrauber gestartet und gelandet.

Angehörige der Opfer gedachten in der kleinen Ortschaft Le Vernet in unmittelbarer Nähe der Absturzstelle ihrer toten Kinder, Eltern und Geschwister. Nach Angaben des Marseiller Staatsanwalts sind auch die Angehörigen von Pilot und Copilot an den Absturzort gereist. „Aber wir haben sie nicht mit den anderen Familien zusammengebracht.“

In Berlin begann die Gala zum 24. Echo-Musikpreis mit einer Schweigeminute für die Opfer der Germanwings-Maschine.