Coup im Kloster: Wer stahl den „Schatz von Santa Lucía“?

Die Geschichte könnte aus der Feder einer Agatha Christie stammen: Bis zu 1,5 Millionen Euro sind in einem Kloster in Spanien gestohlen worden - das Geld lag in Müllsäcken in einem Schrank. Woher kommt dieses Vermögen? Polizei und Finanzamt stellen unbequeme Fragen.

Madrid. Das Kloster Santa Lucía im nordspanischen Saragossa ist eigentlich ein Hort der Besinnlichkeit. „Ora et labora“ (bete und arbeite) lautet der Grundsatz der 16 Nonnen des Zisterzienserordens, die hinter den Mauern des Gebäudes in geschlossener Klausur leben.

Mit der Ruhe ist es aber vorbei, seit die Abtei kürzlich wegen eines mysteriösen Raubes in die Schlagzeilen geriet. Schon die Höhe der Beute gibt den Ermittlern Rätsel auf: In ihrem ersten Telefonat mit der Polizei soll die Äbtissin die gestohlene Summe auf 1,5 Millionen Euro beziffert haben.

Als sie die Anzeige aber zu Protokoll gab, war plötzlich nur noch von 450 000 Euro die Rede - zu diesem Zeitpunkt war der Fall bereits durch die Presse publik geworden und ganz Spanien fragte sich, wie Nonnen an so viel Geld kommen konnten.

„Es sind die Ersparnisse aus 40 Jahren“, sagt Jesús García, der vom Konvent angeheuerte Anwalt. Die Glaubensschwestern betreiben eine gut gehende Buchbinderei und restaurieren auch alte Manuskripte und Inkunabeln, die mit beweglichen Lettern hergestellt wurden.

Die wichtigste Einnahmequelle sind aber die Bilder von Isabel Guerra, besser bekannt als „die malende Nonne“. Die hyperrealistischen Werke der 63-Jährigen, die seit 1970 in dem Kloster lebt, sind auf dem Kunstmarkt heiß begehrt und erzielen Preise bis 50 000 Euro pro Stück.

Selbst der Vatikan soll ein Gemälde von ihr besitzen - ein Geschenk der spanischen Bischofskonferenz für Papst Benedikt XVI. Warum die Nonnen das Geld allerdings nicht auf einer Bank sondern in Müllsäcken verpackt in einem Schrank aufbewahrten, anscheinend größtenteils in 500-Euro-Scheinen, kann Jurist García so recht auch nicht erklären.

„Sie sind sehr gutgläubig und treuherzig, wie von einer anderen Welt“, meinte er. Das Geld hätten sie für ihre täglichen Ausgaben, für Reparaturarbeiten sowie für Spenden parat gehabt. Nun seien die Ordensschwestern am Boden zerstört und obendrein fast mittellos.

Fest steht jedenfalls, dass der Täter genau wusste, was er wollte - und wo er es finden würde: In einem Klostertrakt mit einem Dutzend Türen knackte er genau die drei, die zu dem Schrank mit dem Geld führten.

Die Zisterzienserinnen sind überzeugt, dass der Raub an einem Sonntag stattfand. Es ist der einzige Wochentag, an dem das Kloster wegen des Gottesdienstes für Besucher zugänglich ist. Die eineinhalb Stunden, die die Messe dauert, waren dem Dieb für den Coup genug.

Die Flucht wurde ihm zudem leicht gemacht: Ausgerechnet an dem Tag waren die Überwachungskameras des in einer Sackgasse liegenden Gebäudes nicht in Betrieb - auch dies gibt der Polizei Rätsel auf. Die Ermittler vermuten hinter dem Raub einen Handwerker oder einen Lieferanten. Möglicherweise haben die Nonnen diesen in bar bezahlt, und er bekam mit, aus welchem Raum sie das Geld holten.

Der Fall hat aber nicht nur die Polizei und die Medien auf den Plan gerufen. Auch das Finanzamt interessiert sich inzwischen für den „Schatz von Santa Lucía“. Die Nonnen könnten die Herkunft jedes einzelnen Cents belegen, beeilte sich Anwalt García klarzustellen.

Der Fiskus fragt sich allerdings, ob dafür auch Steuern bezahlt wurden. Stutzig haben die Fahnder des Finanzamts etwa die Aussagen des Klosterkaplans, Francisco Martínez, gemacht. Ständig fragten ihn Unternehmer und gut betuchte Privatleute nach den Gemälden von Schwester Isabel, sagte er der Zeitung „El Mundo“.

„Sie drücken mir Blankochecks in die Hand und sind bereit, jede erdenkliche Summe zu zahlen.“ Dies nährt nach Angaben des Blattes den Verdacht, dass es sich um Schwarzgeld gehandelt haben könnte.

Die Nonnen wehren sich gegen solche Spekulationen. „Wir haben nichts zu verbergen“, ließen sie über ihren Anwalt mitteilen. Der Schock sitzt aber tief: Besucher sind bis auf weiteres zu dem sonntäglichen Gottesdienst nicht mehr zugelassen.