Das „Kind der Freiheit“ wird 20
Sarah Klier kam zu früh zur Welt – und wurde so zum letzten Baby, das noch offiziell in der DDR geboren wurde.
Borsdorf. Zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit wird es für Sarah Klier mal wieder stressig. Journalisten erinnern sich an runden Jubiläen immer wieder gern an die blonde junge Frau aus Borsdorf bei Leipzig. Denn Klier trägt einen Titel für die Ewigkeit. Sie ist gewissermaßen "der letzte Schrei der DDR", geboren am 2. Oktober 1990 zwei Minuten vor Mitternacht in Leipzig.
Mit dem Medienrummel geht die fast 20-Jährige inzwischen routiniert um. Schließlich kennt sie es nicht anders - ist sie doch schon seit ihrer Geburt eine kleine Berühmtheit. "Eine Fotografin war damals im Krankenhaus und wollte eigentlich das erste Einheits-Baby fotografieren", berichtet Klier.
Sarah hatte es aber ein bisschen zu eilig. "Da hat eine Hebamme zu der Fotografin gesagt: ,Nehmen Sie doch das letzte DDR-Kind. Das ist doch auch was.’" Irgendwie ist Sarah Klier auch stolz darauf. "Es kann kein anderer von sich behaupten, dass er das letzte DDR-Baby ist. Damit bin ich schließlich weltberühmt geworden."
Die Fotos der DDR-Nachrichtenagentur ADN gingen damals um die Welt. Sarahs Mutter hat Zeitungsausschnitte aufgehoben, es gibt ein Album mit Erinnerungsstücken. Sogar aus Afrika kam eine Postkarte. Ein Student aus Lagos in Nigeria, der zur Wendezeit in Deutschland lebte, hatte sie zum ersten Geburtstag geschickt.
"Sarah, ein Kind der Einheit; Sarah ein Kind der Freiheit; Sarah - ein Kind Europas und eine Persönlichkeit der Welt", hatte Emmanuel Okereke sehr begeistert geschrieben.
Amtlich mit Brief und Siegel hat Klier ihren speziellen Titel zwar nicht, so etwas bestätigt keine Behörde. Aber in all den Jahren hat sich nie jemand gemeldet, um ihr den Rang als letztes DDR-Kind streitig zu machen. Im Alltag spiele das eigentlich keine Rolle, sagt sie. "Man lacht mal drüber. Manchmal gibt es kleine Kommentare von Freunden - aber eigentlich ist das Thema für uns auch ausgeleiert."
Klier pendelt derzeit zwischen ihrem Heimatort Borsdorf und Wernigerode in Sachsen-Anhalt. Dort studiert sie sieben Semester an der Fachhochschule Harz Tourismusmanagement. Den Wunsch, beruflich etwas mit Tourismus zu machen, hegte sie schon zu Schulzeiten.
Dass sie von Neugierigen auch oft aufgefordert wird, mal etwas von der DDR zu erzählen, macht Klier allerdings etwas ratlos. "Ich bin in Deutschland aufgewachsen", betont sie. "Natürlich habe ich in Geschichte was gelernt, und ich kenne das, was meine Mutti oder Bekannte erzählen. Aber ich verbinde nichts mit der DDR." Auch mit den ewigen Wessi-Ossi-Vorurteilen kann sie nichts anfangen: "Für mich gibt es nur ganz Deutschland."
Ihren Geburtstag will sie ganz ruhig in der Familie feiern. "Mit Mama, Oma, Tante und Cousinen."