Das „System Emig“ vor Gericht
Prozess. Der frühere ARD-Sportreporter soll Sendezeiten verkauft haben.
Frankfurt. Es war ein magischer Moment der Sportgeschichte, als Jan Ullrich im Juli 1997 als erster und bisher einziger deutscher Radprofi die Tour de France gewann. Ullrich hatte gerade die Ziellinie auf dem Pariser Champs-Élysées überquert, da schlug auch die große Stunde des Jürgen Emig. Mehrfach musste der ARD-Radexperte bei den Lobeshymnen auf den Helden im gelben Trikot seine Stimme einfangen. Es schien fast so, als würde Emig dem "jungen Mecklenburger" beim anschließenden Interview um den Hals fallen.
Im August 2008 sieht die Welt anders aus: Jan Ullrich ist im Sumpf der Dopinggerüchte versunken und Jürgen Emig schlägt sich mit der Justiz herum. Seit gestern steht der 63-Jährige wegen Betrugs und Bestechlichkeit vor dem Frankfurter Landgericht. Der ehemalige Sportchef des Hessischen Rundfunks (HR) soll über eine Strohfirma mehr als 525000 Euro aus Schmiergeldern und Schleichwerbung in die eigene Tasche gelenkt und dabei den HR geschädigt haben. Der Sender spricht sogar von 625000 Euro.
Dabei funktionierte das "System Emig" laut Anklage über so genannte "Beistellungen". Darunter wurden Produktionszuschüsse verstanden, die Veranstalter von wenig populären Sportarten für Fernsehübertragungen leisten mussten. So wurde zum Beispiel der Frankfurter Triathlon zu einem großen TV-Ereignis. Und auch den Tanzsport rückte Emig als HR-Sportchef ins Rampenlicht.
Dazu passt, dass sein ehemaliger Geschäftspartner Harald Frahm, seines Zeichens Ex-Vorsitzender des Deutschen Tanzsportbundes, mit auf der Anklagebank sitzt. Frahm hatte mit Emig im Jahr 2000 die Agentur SportMarketing & Production GmbH (SMP) gegründet, die dem HR Sponsoren für die Übertragungen vermittelte. Das Geld, das Sponsoren zahlten, landete aber nur zum Teil beim öffentlich-rechtlichen Sender.
"Natürlich sind da Fehler gemacht worden", räumte Emig gestern vor Gericht ein. Er verwies aber auch auf die Verantwortung des HR: Dem Sender habe es gefallen, wenn er Sponsoren mitgebracht habe. "Man hat mich machen lassen", so Emig. Seine Akquise habe dem HR "annähernd 20 Millionen Euro" eingebracht. Zeitweise seien 75 Prozent der Sportsendungen aus Fremdmitteln finanziert worden. Der Ex-Sportchef warf dem Sender vor, die Agentur SMP als schwarze Kasse genutzt zu haben.