Der doppelte Albtraum der Fischer

Wie sich die Umweltkatastrophe ins Leben der Menschen frisst.

Venice. Zwei verheerende Katastrophen innerhalb von weniger als fünf Jahren - die Menschen in den US-Küstenstaaten Louisiana, Mississippi und Alabama sind schwer erschüttert. Erst kostete der Jahrhunderhurrikan Katrina fast 2000 Menschenleben und legte weite Teile von New Orleans in Trümmer. Und nun diese Ölpest im Golf von Mexiko: "Wir bangen um unsere Existenz", sagt der Fischer Michael Willis und spricht damit vielen Freunden und Nachbarn aus der Seele. "Wir haben das Vertrauen verloren, wir glauben einfach nicht mehr daran, dass uns noch etwas Gutes passieren kann."

In Venice, einem ruhigen, verschlafenen Dorf am Westufer des Mississippi, sieht man dieser Tage verzweifelte Gesichter. Die Überschwemmungen im Gefolge von Katrina hatten den Küstenort fast völlig zerstört. Hilfe aus Washington gab es keine. Erst im vergangenen Sommer hatten sich Fischereibetriebe, kleine Charterbootgesellschaften, Restaurants und Hotels, die nach Katrina kurz vor dem Ruin standen, von der vernichtenden Naturkatastrophe einigermaßen erholt.

Touristen und Hobbyangler aus dem In- und Ausland strömten in die knapp 500 Einwohner zählende Gemeinde, um ruhige Tage am Wasser zu verbringen und sich in einem der vielen Fischlokale mit Krabben oder Austern verköstigen zu lassen. "Wir haben hart gekämpft, über mehrere Jahre und ohne viel Hilfe von der Regierung. Wir glaubten, es geschafft zu haben", sagt der ehemalige Sportlehrer Willis, der nach Katrina das Charterboot seines Vaters übernahm, mit der die Familie seit 40 Jahren Freizeitfischern Ausflüge durch das Mississipi-Flussdelta bis in den Golf von Mexiko anbietet.

"Doch Sie sehen es", sagt der 44-Jährige und zeigt auf die gestrandeten Boote im Hafen von Venice. "Das Geschäft ist tot. Wir dürfen nicht mehr fischen. Auch kommen die Touristen nicht mehr." Das Gebiet um den Hafen von Venice, wo es sonst von Touristen wimmelt und wo Fischer ihre Netze ausleeren, gleicht tatsächlich einer Geisterstadt.

Über eines sind sich die Betroffenen einig: Sie verstehen sich erneut als unschuldige Opfer. Doch im Gegensatz zu Katrina gesellen sich zu der schieren Verzweiflung jede Menge Zorn und Empörung. Denn: Wie Michael Willis feststellt, "war dies keine Naturkatastrophe. Diese Katastrophe wurde von Menschen geschaffen."