Der Graf geht auf Abschiedstour
Köln (dpa) - Der Graf will nicht mehr. Der Sänger der Band Unheilig, der seine emotionalen Songs so kontrolliert vorträgt, hat einen außergewöhnlichen Weg gewählt und sich in einem Offenen Brief im Internet erklärt: Er wolle mehr Zeit für die Familie haben.
Davor allerdings kommt ein neues Album heraus, und es gibt eine Abschiedstournee. 2016 soll dann das letzte Konzert sein. Die Fans äußern sich in den sozialen Netzwerken geschockt und zugleich voller Verständnis. „Ich hoffe der Graf wird glücklich mit dem was er vor hat“, schreibt einer, und auch andere schreiben in diesem Tenor.
An dem Brief habe er drei Wochen geschrieben, bekennt der Musiker aus Aachen am Montag. Aber mit der bevorstehenden Tournee habe der angekündigte Abschied nichts zu tun, sagt der Künstler, der stets in Gehrock, Krawatte und weißem Hemd auftritt. „Ich brauche die zwei Jahre Abschied jetzt.“
Die Lieder auf dem neuen Album „Gipfelstürmer“, das im Dezember, herauskommt, seien für ihn die besten Songs, die er je geschrieben habe, erläutert er in seinem Brief. „Das sagt mir mein Herz.“ Es geht darin um die großen Themen im Leben, um Hoffnung, Ängste, Glück, Trost und Abschied. Das ist das Markenzeichen der mit Preisen wie Echo, Bambi oder Goldener Kamera belohnten Band Unheilig. Nur beim deutschen Vorentscheid im März 2014 für den Eurovision
Song Contest gewann nicht der berühmte Graf sondern die Band Elaiza um die gebürtige Ukrainerin Ela.
Zum Chart-König wurde der Graf 2010. Der Mann, der sich einst die Fingernägel schwarz lackierte und mit Dracula-Blick verschreckte, schaffte den großen Durchbruch mit dem Song „Geboren um zu leben“. Er entstieg der Subkultur und gab mehr von sich preis. Als Junge war er Stotterer, und mit Hilfe seiner Musik konnte er den Stolperfallen der Sprache aus dem Weg gehen. Sein Alter und seinen richtigen Namen, das sagt er aber immer noch nicht.
Ihm als Familienmensch sei in den vergangenen Jahren bewusst geworden, worauf die Menschen in seinem Umfeld die letzen Jahre verzichtet hätten, schreibt der Musiker und Texter. „Für mich ist die Zeit gekommen, dass ich meiner Familie etwas zurückgeben möchte und "Danke" sagen möchte.“
Privat lebt er bei Aachen in Nordrhein-Westfalen und zwar unauffällig. Die Menschen dort erkennen ihn zwar, wenn er durch die Straßen geht, trotz tief in die Stirn gezogener Mütze oder Kappe, unverkleidet in normaler Straßenkleidung. Sie lassen ihn aber in Ruhe. Ungestört kann er mit Frau und Hund beim alteingesessenen Italiener ein Eis kaufen. Nach Begegnungen sind viele hinterher verwundert, wie freundlich der Graf ist, wie normal. Und gibt es ein Hintertürchen für den angekündigten Abschied? „Es gibt kein Comeback!“ Das sagt er ganz entschieden.