Der Herr der Schlitten
Zum Rodeln zu wertvoll: Mehr als 250 Schlitten aus drei Jahrhunderten hat ein Bielefelder gesammelt.
Bielefeld. Es ist der Herr der Kufen: Dem Bielefelder Horst-August Bollweg gehört die wohl größte Schlittensammlung Deutschlands, vielleicht sogar Europas. In Jahrzehnten hat er eine beispiellose Schlittensammlung zusammengetragen. Rund 250 Schlitten aus drei Jahrhunderten nennt der 75-Jährige mittlerweile sein Eigen.
In einer Lagerhalle am Rande von Bielefeld stehen die historischen Schlitten. Manche sind aus einfachen Brettern zusammengezimmert. Andere sind prächtige, mit rotem Samt ausgeschlagene Pferdeschlitten.
Bollwegs Kufengleiter kommen aus vielen Teilen des Kontinents: Deutschland, Skandinavien, Frankreich. „Dort galten Schlitten lange als Statussymbole“, sagt Bollweg. Wer es sich leisten konnte, habe sie mit Samt oder anderen edlen Stoffen ausstaffiert. Ein Aspekt, der den Textilkaufmann Bollweg besonders fasziniert, denn mit Mode hatte er sein Leben lang zu tun.
Der Herr der Kufen sammelt seit 50 Jahren — „alles, was es mir wert erscheint, der Nachwelt zu erhalten“. Zu seinem ersten Schlitten kam er zufällig. 1965 war der Antiquitätenliebhaber hinter einem alten Webstuhl her. „Den wollte der Besitzer aber nur verkaufen, wenn ich ihm auch seinen Schlitten abnehme.“
Aus einem einzigen Schlitten wurden 250. Während er die meisten seiner prächtigen Schneegefährte im Depot am Stadtrand lagert, hat sich Bollweg einige Kilometer weiter ein privates, für die Öffentlichkeit nicht zugängliches Museum eingerichtet. In hohen Regalen stapelt sich dort die Geschichte. Schuhe aus dem 19. Jahrhundert liegen neben Kanonenkugeln aus Napoleons Zeit. Hölzerne Schaukelpferde blicken einem entgegen. Auf dem Boden stehen uralte Kinderstühlchen. Und natürlich Schlitten.
Auch Bollwegs ältester Kufengleiter ist darunter: Der kleine Transportschlitten stammt aus Donauwörth in Bayerisch-Schwaben und ist etwa 250 Jahre alt. „Das war ein Allzweckschlitten, mit dem auch mal ein Mehlsack transportiert werden konnte.“ Der Zahn der Zeit hat an ihm genagt — oder besser: der Holzwurm.
Über den Wert seiner Sammlung mag Bollweg nicht sprechen. „Mit betriebswirtschaftlichen Augen darf man diese Dinge ohnehin nicht sehen.“ Für ihn zählt das Ideelle: die Geschichten und Schicksale, die mit jedem Schlitten verbunden sind. „Dieser hier zum Beispiel war beim Russlandfeldzug im Zweiten Weltkrieg im Einsatz“, sagt der 75-Jährige und zeigt auf einen Munitionsschlitten.
Viele seiner prächtigen schlitten verleiht Bollweg zur Weihnachtszeit. Dann schmücken sie große Autohäuser, renommierte Hotels oder Innenstädte. Bollweg versteht sich nicht als Eigentümer der kostbaren Antiquitäten. „Ich sehe mich als Bewahrer. Ich möchte hegen, pflegen und weitergeben.“