Desaster „Made in Japan“: Super-Gau in Fukushima war vermeidbar

Untersuchungskommission sieht massive Fehler bei Betreiber und Staat. Erstmals wieder AKW in Betrieb genommen.

Tokio. Japan geht gut ein Jahr nach der Atomkatastrophe von Fukushima mit sich selbst hart ins Gericht. Sowohl der Betreiber Tepco wie auch die Atomaufsicht und die Regierung hätten seit langem gewusst, dass das AKW Fukushima Daiichi einem solch starken Erdbeben und Tsunami nicht standhalten konnte. Dennoch sei nichts unternommen worden. „Sie haben das Recht der Nation, sicher vor Atomunfällen zu sein, verraten“, urteilt eine unabhängige Untersuchungskommission.

Vieles ist zwar schon seit längerem bekannt, beeindruckend ist dennoch, mit welch harten Worten hier Japaner ihren eigenen Staat und seine Strukturen aburteilen. Man müsse schmerzhaft zugeben, dass dies ein Desaster „Made in Japan“ war, so der Leiter der Kommission, Kiyoshi Kurokawa.

Nicht nur das Krisenmanagement der Regierung habe auf breiter Front versagt, sondern es hätten auch elementare Sicherheitsanforderungen gefehlt. Zudem seien ausreichende Vorkehrungen für den Ernstfall unterlassen worden. Die Ursachen für die Tragödie lägen noch tiefer: in den „tief verwurzelten Konventionen der japanischen Kultur“.

Dazu gehörten der „reflexive Gehorsam“ und „unsere Zurückhaltung, Autoritäten anzuzweifeln“, so die Untersuchungskommission. Die Katastrophe sei nicht zuletzt eine Folge der Kungelei zwischen der Regierung, der Atomaufsicht und Tepco. Genau dieses Netzwerk sehen Kritiker jedoch weiter am Werk.

Just an dem Tag, an dem die Untersuchungskommission nach sechs Monate langer Arbeit ihren Abschlussbericht vorlegte, nahmen die Regierung und Atomlobby erstmals seit Beginn der Katastrophe wieder einen Reaktor ans Netz (siehe Grafik). Und das, obwohl sich die Mehrheit der Bürger gegen die weitere Nutzung der Atomkraft ausspricht.

Experten wie der Seismologe Katsuhiko Ishibashi weisen immer wieder auf geologische Verwerfungen hin, die es in dem Gebiet des jetzt wieder hochgefahrenen Atomkraftwerks Oi gibt. Ishibashi, ein Mitglied der Untersuchungskommission, hatte schon Jahre vor der Katastrophe von Fukushima prophezeit, dass eines Tages Erdbeben Atomunfälle auslösen könnten. Doch Regierung und Atomlobby hörten nicht — und tun dies laut Kritikern auch jetzt nicht.