Die ersten Kunden schieben den Diesel ab

Das Thema taugt derzeit für alles: Vorsicht, Wut — und Gelassenheit bei Händlern, die von größerer Skepsis noch nichts spüren.

Foto: Melanie Zanin/Judith Michaelis

Düsseldorf. Klaus und Rita Winkelmann spazieren gerade mit Rauhaardackel Paulinchen über die Automeile Höherweg. Vor wenigen Minuten hat Rita Winkelmann ihren vier Jahre alten Ford C-Max beim Renault-Händler zur Bewertung abgegeben. Wenige Monate ist es erst her, dass sie für den Gebrauchtwagen 13 000 Euro bezahlt hat. „Ich habe gar nicht groß überlegt, sondern mich auch verleiten lassen, weil ich ihn so schön fand.“ Jetzt, nach dem Diesel-Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, hat sie „ein bisschen Gamaschen. Ich denke mir, nur weg mit dem Auto, sonst haben wir am Ende einen Riesenverlust.“

Foto: Melanie Zanin/Judith Michaelis

Die Automeile ist in der Landeshauptstadt ein Kosmos für sich. Mehr als ein Dutzend Automarken und eine Motorradmarke sind vertreten, dazu der ADAC, die Dekra und das Straßenverkehrsamt. Rund 500 Neuwagen und gut 1000 gebrauchte Pkws stehen auf dem 100 000 Quadratmeter großen Gelände im Stadtteil Flingern parat. Etwa die Hälfte davon sind Diesel.

Diesel, Diesel, Diesel — „Ich kann das Thema nicht mehr hören.“ Wer versucht, einen VW-Autohändler auf das Urteil anzusprechen, das nach Vorstellung der Richter notfalls auch Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zur Folge haben könnte, beißt auf Granit. Auch der Volkswagen und Audi Partnerverband, in dem die Markenhändler zusammengeschlossen sind, mag sich nicht äußern. „Das haben wir schon bei dem Abgas-Skandal so gehalten.“

Adriano Canalella hat damit keine Probleme. Weil er keine sieht. In seiner Wahrnehmung spielt das Thema im Kundenverhalten noch gar keine Rolle. Canalella kennt sich aus, denn er lebt davon, Autos zu verkaufen. Seit fünf Jahren tut er das für den Auto-Park Rath, nur wenige hundert Meter vom ISS Dome entfernt. Gebrauchtwagen hat er schon verkauft, auch Ford und Mazda. Derzeit ist er Spezialist für Suzuki. Seine Einschätzung zum Diesel: „Die Nachfrage ist noch immer hoch.“

Wenn Canalella mit Kunden ins Gespräch kommt, für welche Kraftstoffart sie sich entscheiden sollen, dreht sich das Gespräch nach seiner Darstellung um die seit Jahren bekannten Fragen: Ab welcher Jahreskilometerzahl rechnet sich ein Diesel? Wird ein Wagen nur für Kurzstrecken gesucht, oder geht es auch regelmäßig auf die Autobahn?

„Nur vereinzelt“, so der 38-Jährige, gebe es Kunden, die sich Gedanken machten um blaue Plaketten und die Frage, ob sie mit einem Diesel eines Tages noch in die Umweltzone dürfen oder nicht mehr. Canalella rechnet nicht damit, dass es Nachteile geben könnte. Er fährt selbst einen Suzuki Vitara Allrad mit Dieselantrieb. „Und ich bin Düsseldorfer — wo ist das Problem?“

Sieben Kilometer weiter südlich auf der Automeile bekommt man eine Ahnung, wer mit dem Thema womöglich in Zukunft Probleme haben könnte. Ein älterer Herr redet sich in Rage. „Der deutsche Diesel ist der sauberste der Welt. Ich habe seit 2000 drei Vollhybrid gefahren, ohne irgendeine finanzielle Unterstützung dafür zu bekommen. Da wussten die in Berlin noch gar nicht, wie man Hybrid schreibt. Jetzt fahre ich aus Protest einen Porsche Diesel. Ich bin so wütend auf Berlin. Und das nächste Mal wähle ich diese, diese — wie heißt sie noch? — diese AfD.“

Walter Malik steht gerade musternd vor einer Reihe Gebrauchtwagen. Von der Dieselfrage zur Systemkritik zu kommen, ist auch für ihn ein Leichtes. „Sie werden überall über den Leisten gezogen. Es gibt keine Werte mehr.“ Mit Mannesmann und Klaus Esser habe das einst angefangen. Dort die hoch dotierten Manager und die abgehobenen Politiker, hier die einfachen Leute, an deren Geld alle wollen — dieses Empfinden trägt im Augenblick bei fast jedem Thema.

Mittlerweile ist Mittagszeit auf der Automeile. Rita Winkelmann ist ganz zufrieden. 11 000 Euro hat sie für ihren gebrauchten Diesel geboten bekommen. Das ist zwar ein Verlust von 2000 Euro innerhalb weniger Monate. Aber dafür gab es auch beim Preis für einen möglichen Neuwagen etwas Entgegenkommen.

Sie und ihr Mann sind beide Frührentner. Gemeinsam haben sie sich entschieden, ihre beiden Pkws zu verkaufen und sich nur noch einen Neuwagen anzuschaffen. „Das ist jetzt der letzte vor der Ausfahrt“, sagt Klaus Winkelmann und lacht.

Und der letzte, das wird ein Benziner. So viel steht schon mal fest. Heute wollen sie den Diesel noch von einem anderen Händler bewerten lassen. Dann ist das Thema für sie abgeschlossen.