Die nächste Sturmflut kommt
Hamburg (dpa) - Auf den Norden Deutschlands rollt die nächste Sturmflut zu. Orkan „Xaver“ hatte die deutsche Küste mit voller Wucht erreicht. Die zweite schwere Sturmflut wurde in der Nacht zum Freitag erwartet.
Die Halligen meldeten bereits am Donnerstagmittag „Land unter“.
Die tosende Nordsee drückte gegen die Deiche, knickte Bäume um und beschädigte Dächer. Das Unwetter mit gefährlichen Böen und Schnee legte das Leben von Millionen Menschen im Norden Europas lahm, in Großbritannien und Dänemark gab es Tote. An vielen Schulen in Norddeutschland fällt auch am Freitag der Unterricht aus.
Am Abend erreichte die zweite Welle des Orkantiefs mit extremen Böen die Nordseeinsel Sylt. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes wurden dort in List um 21.00 Uhr 148 Kilometer pro Stunde erreicht. Im NDR-Fernsehen sprach der Meteorologe Karsten Schwanke sogar von 185 Stundenkilometern.
Die Reisenden stellte „Xaver“ schon am Donnerstag auf die Geduldsprobe. Zahlreiche Flüge wurden gestrichen, auch der Bahnverkehr im Norden und in Nordrhein-Westfalen war gestört. In Elmshorn nördlich von Hamburg fuhr eine Regionalbahn gegen einen umgestürzten Baum. Der Zugführer sei leicht verletzt worden, teilte die Regionalbahn AKN mit.
Auch am Nikolaus-Tag, sollte „Xaver“ toben - das ist länger als der verheerende Sturm „Christian“ vor bald sechs Wochen. Die Auswirkungen der Naturgewalten blieben am Donnerstag verglichen mit dem Oktober-Orkan noch deutlich geringer. Die Einsatzkräfte wurden weniger häufig angefordert, um umgeknickte Bäume zu räumen und um Bauzäune und Dächer zu sichern.
Die Küsten hielten den Wassermassen bislang stand: „Die Deiche sind mächtig und stabil“, sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) bei einem Besuch an der Küste. Die Inseln und Halligen vor Schleswig-Holsteins Küste waren vom Festland aus nicht mehr zu erreichen, die Fähren stellten den Betrieb ein. In Richtung Helgoland ging ebenfalls nichts mehr. Auch der Schiffsverkehr auf dem Nord-Ostsee-Kanal kam zum Erliegen.
„Xaver“ wird auch am Freitag das Wasser wieder gegen die Küste drücken. Der Deutsche Wetterdienst warnte bis Freitagvormittag (10.00 Uhr) vor weiteren Orkanböen. Danach soll der Wind an Kraft verlieren. Das Hochwasser im Elbegebiet soll am Freitag nach Berechnungen des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) 3 bis 3,5 Meter höher als das mittlere Hochwasser eintreten.
Im Hamburger Hafen (St. Pauli) wird Freitagfrüh (6.27 Uhr) mit einem Wasserstand von 3,50 Meter gerechnet, der unteren Grenze für die Kategorie „sehr schwere Sturmflut“. „Das ist alles im Rahmen dessen, was leicht abgefangen werden kann“, hieß es. Der Fischmarkt war schon am Donnerstag überflutet.
Zum Vergleich: Der bisher höchste Pegel wurde in Hamburg 1976 mit 4,67 Meter über dem mittleren Hochwasser erreicht. Bei der großen Sturmflut 1962 stieg er auf 4,03 Meter. Die Deiche wurden nach der Wetterkatastrophe ausgebaut, sie sind jetzt mindestens 7,60 Meter hoch.
Zunächst hatte „Xaver“ in Großbritannien katastrophale Zustände angerichtet. In Schottland waren am Nachmittag 100 000 Häuser ohne Strom. Ein Mann starb in einem Park in der englischen Grafschaft Nottinghamshire, nachdem ein Baum auf ihn gefallen war. Zuvor wurde in Schottland der Fahrer eines Lastwagens getötet, als sein Fahrzeug umkippte.
Vor Südschweden gingen bei stürmischer See zwei Männer über Bord und werden seitdem vermisst. Sie waren auf einem niederländischen Frachtschiff vor Ystad unterwegs, als das Unglück passierte. Trotz großangelegter Suche blieben die beiden zunächst verschwunden.
Große Teile des Verkehrs in der südschwedischen Region Schonen und in Dänemark standen am Donnerstag still, als „Xaver“ über Nordeuropa wütete. Züge fuhren dort gar nicht mehr, die großen Brücken waren für den Verkehr gesperrt. Im dänischen Fredericia waren am Donnerstag nach Angaben des Rundfunksenders DR wegen einer geschlossenen Brücke 400 Zugreisende gestrandet. In Jütland kam eine 72-Jährige ums Leben, nachdem ihr Wagen von der Straße gefegt und umgestürzt war.