Die Tränen der Topmodels
Heidi Klums Kandidatinnen geben alles, doch die große Karriere bleibt in der Regel aus.
Düsseldorf. Wenn sich junge Mädchen zu sanften Geigenklängen die Tränen aus den schönen Augen wischen, dann ist Zeit für große Gefühle bei "Germany’s next Topmodel". Auch am Donnerstagabend gibt es Tränen, als es darum geht, ob die Kandidatinnen von Heidi Klum zu hören bekommen: "Ich habe heute kein Foto für dich." Doch in der elften Folge der vierten Staffel wird auf das übliche Drama am Ende jeder Sendung noch eins draufgesetzt.
Bei der - wie Pro Sieben sie nennt - "höchst emotionalen" Übung sollen die Kandidatinnen sich öffnen und ihr Innerstes offenbaren. Und dabei nicht nur sich selbst, Jurymitglied Rolf Scheider und die Konkurrentinnen zum Weinen bringen, sondern am besten auch das Millionenpublikum vor den Fernsehern zu Tränen rühren. Die Kandidatinnen werden dazu gebracht, über ihre intimsten Wünsche, Ängste und Probleme zu reden.
Vor einem Spiegel sollen sie fünf Fragen ehrlich beantworten. Die 19-jährige Maria gesteht weinend, dass sie bei der Sendung mitmacht, weil sie sich beweisen will, "dass ich auch in irgendwas gut bin". Kandidatin Marie soll erklären, warum sie immer so unemotional ist. "Ich habe eine so große Angst, andere zu enttäuschen, dass ich meine eigenen Bedürfnisse voll zurückgeschraubt habe", sagt die 19-Jährige. "Ich konzentriere mich nur darauf, es allen recht zu machen."
Es sind die Geständnisse von Mädchen, die für ihren Wunsch, Topmodel zu werden, vor einem Millionen-Publikum vorgeführt werden. 3,84 Millionen Zuschauer haben am Donnerstag "Germany’s next Topmodel" gesehen. Innerhalb der Zielgruppe der 14 bis 49 Jahre alten Zuschauer ist das Format regelmäßig Marktführer. Das ist gut für die Kasse. Denn zahlreiche nicht enden wollende Werbeblöcke und -einblendungen bestimmen die gut zweistündigen Ausstrahlungen.
Bei dem Format - wie auch bei anderen Casting-Shows - geht es aber auch nicht darum, ein gefeierter Star zu werden, sondern um Unterhaltung. Um die bisherigen Topmodel-Gewinnerinnen Lena Gercke, Barbara Meier und Jenny Hof ist es schnell still geworden. Die neuen deutschen Supermodels werden nicht im Fernsehen bei Heidi Klum entdeckt, sondern wie eh und je auf der Straße. Wie zum Beispiel die 17-jährige Toni Garrn, die der Chefin einer Model-Agentur am Hamburger Jungfernstieg auffiel. Sie ist nicht nur das neue Gesicht von Calvin Klein, sondern lächelte auch schon mehrfach vom "Vogue"-Cover.
Auch für die Kandidatinnen von Staffel vier ist die Aussicht auf eine erfolgreiche Karriere gering. Vor allem, da sie - im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen - diesmal keinen Vertrag mit der internationalen Agentur IMG bekommen. Die Mädchen stehen nur noch unter Vertrag mit der Heidi Klum GmbH und der ProSieben-Tochter "Face your Brand", die über die genauen Vertrags-Modalitäten nicht gerne reden. Branchenkenner sagen aber, dass beide Agenturen ganz gut an den Mädchen verdienen.
Auch ohne Aussicht auf späteren Erfolg wird den Kandidatinnen in jeder Folge "Germany’s next Topmodel" viel abverlangt. Egal, ob die Mädchen im Salzwasser ihre Augen öffnen müssen, bei Bitterkälte und Regen in Dessous posieren oder sich auf Eisblöcken räkeln - sich zieren ist unerwünscht. Dafür hat Heidi Klum kein Verständnis. Die 35-Jährige wird nicht müde zu wiederholen, dass Modeln eben nicht so leicht ist, wie es aussieht.
Zum großen Finale jeder Folge wird nochmal in die Emotionskiste gepackt. Es gibt Lob und häufig auch Kritik. Die jungen Mädchen, die zwischen 16 und 21 Jahren alt sind, bekommen zu hören, dass sie ausdruckslos und nicht individuell seien, einfach keinen Wiedererkennungswert hätten. Verständlicherweise kullern angesichts solcher Aussagen von Heidi Klum, Rolf Scheider und Peyman Amin die Tränen.
Der Spannungsbogen wird bei der Entscheidung so lange wie möglich aufrecht gehalten. Klum mag es, den Kandidatinnen etwas vorzuspielen. Gerne sagt sie: "Ich habe heute leider kein Foto für dich." Nachdem sich die vermeintliche Ex-Kandidatin unter Tränen verabschiedet, kommt die Erlösung. "Ich habe kein Foto für Dich, aber Peyman."