Dieter Hildebrandt wird 85: „Kabarettisten sind keine Mönche“
Dieter Hildebrandt wird am Mittwoch 85 Jahre alt. Einen „unruhigen Hintern“ hat er trotzdem noch.
München. Dieter Hildebrandt ist seit Jahrzehnten im Geschäft — als einer der bedeutendsten Kabarettisten der Republik. Jetzt wird er 85 und steht immer noch auf der Bühne. Sein aktuelles Programm heißt „Ich kann doch auch nichts dafür“ — die Universalausrede schlechthin, wie er im Interview sagt.
Herr Hildebrandt, Sie werden 85 und stehen immer noch fast jeden Abend auf der Bühne. Haben Sie nie daran gedacht, kürzerzutreten? Oder brauchen Sie das Geld?
Dieter Hildebrandt: Geld brauche ich immer, es brauchen auch Leute Geld, die mit mir zusammenleben. Außerdem bin ich es nicht gewöhnt kürzerzutreten. Ich mache immer etwas längere Schritte. Kürzere Schritte habe ich nicht so gerne. Das sieht immer so nach Trippeln aus und ich trippele nicht gerne.
Ihr Programm heißt „Ich kann doch auch nichts dafür“. Was hat es damit auf sich?
Hildebrandt: Das ist ein Spruch, der sich durchgesetzt hat. Es kann natürlich jeder was dafür, und trotzdem fällt immer wieder überall dieser Satz. Das hat mich fasziniert. Sie hören den Spruch täglich. Und im Grunde hat der Eichmann, als er in Jerusalem vor Gericht stand, auch nichts anderes gesagt als „Ich kann doch auch nichts dafür“. Das ist eine absolute Ausrede seit vielen vielen Jahren — und zumindest seit dem Tod von Adolf Hitler. Danach hat auch das ganze Volk gesagt: „Ich kann doch auch nichts dafür, das war doch nur der Hitler.“
Können Sie sich von Ausreden dieser Art völlig freisprechen?
Hildebrandt: Natürlich nicht. Kabarettist zu sein, heißt ja nicht, dass man nicht in der Lage ist, die gleichen Fehler zu machen, die man anderen vorwirft.
Muss der Kabarettist moralisch unantastbar sein?
Hildebrandt: Um Gottes Willen! Das wäre ja furchtbar! Wir sind doch keine Mönche. Und selbst Mönche bestehen nicht darauf, völlig fehlerfrei zu sein.
Heute gibt es ja eine Vielzahl von Comedians, die alles andere sind als Kabarettisten. . .
Hildebrandt: Da bin ich anderer Meinung. Ein Kabarettist ist immer auch ein Comedian — und umgekehrt. Es ist ein Missverständnis, dass nur derjenige, der über Politik redet, auch Politik meint. Unser Leben ist voller Politik. Es ist nur so, dass es inzwischen den Hang dazu gibt, nur noch über die Unterschiede zwischen Mann und Frau zu sprechen. Das langweilt mich natürlich. Das hat mit Politik wirklich nichts mehr zu tun.
Worüber können Sie richtig lachen?
Hildebrandt: Über gut geschilderte Missverhältnisse.
Gibt es gerade Missverhältnisse, die Ihnen auf den Nägeln brennen?
Hildebrandt: Mir brennt eigentlich nichts direkt auf den Nägeln, ich habe nur einen sehr unruhigen Hintern. Ich sitze manchmal etwas nervös herum und denke: Was wird mit dieser Republik? Manchmal denke ich, diese Demokratie ist etwas in die Jahre gekommen, und wir müssen aufpassen, dass sie nicht überaltert. Ich werde etwas unruhig, wenn ich merke, dass die Wahlbeteiligungen zu gering sind, dass das Interesse an Politik stark zurückgeht oder wenn ich merke, dass es jetzt Parteien gibt, die gegen Parteien sind und daraus eine Partei machen. Das ist wieder so ein Missverhältnis, darüber kann ich schon wieder lachen.
Das heißt, Sie könnten die Piraten demnächst auch mal in ihrem Programm verbraten?
Hildebrandt: Verbraten vielleicht nicht. Ich halte sie gerade nicht für sonderlich genießbar. Sie sind jung, ok. Aber das wird ja mit dem Alter auch Aufhören.