Dresden: Unesco stellt neues Ultimatum
Weltkulturerbe: Das UN-Komitee fordert Dresden auf, statt der Elbbrücke einen Tunnel zu bauen. Sonst ist der Titel 2009 verloren.
Dresden. Das Tauziehen um das Unesco-Welterbe Dresdner Elbtal und damit der Streit über die Waldschlößchenbrücke gehen weiter: Mit seiner Entscheidung in Québec (Kanada) hat das Welterbekomitee den Druck auf die sächsische Landeshauptstadt noch einmal erhöht: Dresden behält noch für ein Jahr den Welterbe-Titel, muss aber Auflagen erfüllen: Der Bau der Brücke ist sofort zu stoppen und an ihrer Stelle ein Tunnel zu bauen.
Damit gewährt die UN-Kulturorganisation Deutschland eine allerletzte Chance. Sollte sie ungenutzt bleiben, wird das Dresdner Elbtal im Sommer 2009 von der Welterbeliste getilgt; bis dahin bleibt Dresden auf der Roten Liste gefährdeter Welterbestätten.
Die Bundesrepublik und Dresden haben nun weitere zwölf Monate Zeit, einen Konsens zwischen Welterbekonvention und dem Willen der Bürger zu finden.
Kurz nach dem Votum aus Kanada blieben klare Aussagen zum weiteren Vorgehen in Dresden Mangelware. Manche Äußerungen deuten darauf hin, dass die Stadt am Brückenbau festhält.
Sie sieht genau wie das staatliche Regierungspräsidium rechtlich keine andere Chance. Ein Bürgerentscheid pro Brücke von 2005 ist bisher das größte Hindernis für einen Kurswechsel hin zu einem Tunnel. Damals hatten sich 67,9 Prozent der Beteiligten für das 160 Millionen Euro-Projekt ausgesprochen.
Hierauf bezieht sich die sächsische Landesregierung. Sie lässt seit gut einem halben Jahr in den Elbauen die Brücke bauen - trotz noch ausstehender Gerichtsentscheidungen. Appelle von Bundespolitikern, Institutionen, Künstlern und Prominenten blieben ohne Wirkung.
Das Regierungspräsidium sieht sich in dem Konflikt allein als Interessenvertreter der Dresdner - so, als ob man keinen Millimeter vom Bürgerentscheid abweichen könnte. Dabei war zum Zeitpunkt des Votums nicht klar, dass die Elbestadt damit den Welterbetitel aufs Spiel setzen würde.
Unter der Hand wird im Präsidium aber eingeräumt, dass eine "politische Entscheidung" den Fall noch einmal ändern könnte. Doch die Staatskanzlei, von der sich Tunnelbefürworter eine solche Entscheidung erhoffen, hält sich für "nicht involviert".
Sachsens neuer Ministerpräsident Stanislaw Tillich und die künftige Oberbürgermeisterin von Dresden, Helma Orosz (beide CDU), hatten gehofft, dass die Unesco erst nach Vollendung der Brücke 2011 über den Welterbe-Titel entscheidet.
Nach Bekanntwerden des Beschlusses machten Orosz und die Staatskanzlei gestern deutlich, dass sich an der bisherigen Haltung pro Brücke nichts ändert. Orosz glaubt den Welterbetitel faktisch schon verloren und hält die Entscheidung der UN-Denkmalschützer für "falsch", "unverständlich" und "ungerecht".
Nach Auffassung von Orosz und der Staatskanzlei stellt die Brücke keine Beeinträchtigung des Welterbes dar. Daher sollte die Stadt den Bau fortsetzen, sagt das designierte Stadtoberhaupt. Regierungssprecher Peter Zimmermann hält es für "unwahrscheinlich", dass nun zurückgebaut wird. Eine Verschiebung der Frist helfe daher nicht.
15. August 1996: Der Stadtrat von Dresden beschließt den Bau einer weiteren Elbbrücke.
2. Juli 2004: Die Unesco nimmt Dresdner Elbtal als Welterbe auf.
27. Februar 2005: Bei einem Bürgerentscheid stimmen 67,9 Prozent für den "Verkehrszug Waldschlößchenbrücke".
11. Juli 2006: Die Unesco setzt Dresdner Elbtal auf die Rote Liste gefährdeter Welterbe-Stätten.
10. August 2006: Der Stadtrat stimmt gegen den Baubeginn und für einen Titel-Erhalt.
14. August 2006: Das Regierungspräsidium ordnet den Baubeginn an. Ein langer Rechtsstreit folgt.
25. Juni 2007: Das Welterbe-Komitee setzt eine Gnadenfrist, lässt das Elbtal auf seiner Roten Liste und fordert Alternativen bis zum 1. Oktober.
19. November 2007: Baubeginn für die geplante Brücke.
3. Juli 2008: Die Unesco fordert ultimativ einen Tunnel statt Brücke, andernfalls wird der Welterbe-Titel 2009 gestrichen.