Dschungelcamp: Spiel ohne (Ekel-)Grenzen
Ich esse Maden für Moneten. Dieser inszenierte Tabubruch fasziniert die Zuschauer auch in anderen Ländern. Nur Mitleid gibt es nicht.
Düsseldorf. Für den britischen Komiker John Cleese („Monty Phyton“) ist das Dschungelcamp der „Untergang der westlichen Zivilisation“. Nichtmal viel Geld würden den 71-Jährigen dazu bringen, in den australischen Busch zu ziehen, um zwei Wochen sein Leben mit Ungeziefer und neun anderen Promis der unbekannten Art zu teilen. Glatt 200 000 Pfund (240 000 Euro) soll ihm der Sender ITV angeboten haben.
Vor neun Jahren startete der Sender mit dem Format — zu Spitzenzeiten holte wa bei den englischen Zuschauern einen Marktanteil von 50 Prozent. In diesem Jahr geht’s in die elfte Staffel. Nach bewährter Methode: Zehn mehr oder weniger prominente Menschen mit Karriereknick und Geldsorgen werden zwei Wochen in die Dschungel-WG geschickt und müssen dort allerlei eklige, Übungen erledigen. Prinzip: Tausche Maden gegen Moneten.
Das Schmiermittel für die Stars heißt Geld, das für die sieben Millionen deutschen Zuschauer Schadenfreude und Fremdschämen. Joan Kristin Bleicher, Medienwissenschaftlerin von der Uni Hamburg: „Das Format kombiniert erfolgsbewährte Unterhaltungs Elemente mit dem Appell an die niederen Instinkte und den Ekel der Zuschauer.“
Wie hoch das Schmerzensgeld der Kandidaten für den inszenierten Ekel tatsächlich ist, halten die Sender weltweit geheim. Ex-Bewohner, die über das Camp plaudern, müssen saftige Strafen zahlen oder bekommen weniger Gage. Eso-Kommunarde Rainer Langhans soll 50 000 Euro kassieren, Camperin Sahra „Dingens“ Knappik macht’s laut „Bild“ für 30 000. Aber nur, wenn sie nach der fünften Dschungelprüfung nicht das Handtuch wirft.
Auf das Mitleid der Zuschauer braucht sie nicht zu hoffen. Sie sind es schließlich, die ihr eine Ekel-Prüfung nach der anderen bescheren. Werte wie Menschenwürde oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit verlören an für die Zuschauer an Bedeutung, sagt Bleicher.
Die Semi-Prominenz der Kandidaten erleichtere die Tabuverletzung. Die Zuschauer gehe davon aus: Wer unbedingt vor die Kamera will, soll auch die Folgen tragen. „Die Zuschauer weiden sich an den Qualen der Kandidaten und können sich dann für ihre Nerverei interaktiv rächen.“