Größter Airport der Welt Dutzende tödliche Unfälle bei Bau von Istanbul-Flughafen
Istanbul (dpa) - Angesichts Dutzender tödlicher Arbeitsunfälle auf der Baustelle des neuen Flughafens in Istanbul hat die Baugewerkschaft die Arbeitsbedingungen kritisiert und Verbesserungen gefordert.
„Das gesamte Team, vom Führungspersonal bis zum einfachen Arbeiter, ist einem unfassbaren Produktionsdruck ausgesetzt“, sagte Özgür Karabulut, Vorsitzender der regierungskritischen Gewerkschaft Dev-Yapi-Is, der Deutschen Presse-Agentur. Durch den Druck, möglichst schnell zu arbeiten, entstünden die meisten oft tödlichen Unfälle.
Die islamisch-konservative AKP-Regierung müsse mehr Vorsorge für die Sicherheit der Arbeiter treffen, forderte er. Die Regierung weist die Vorwürfe der Gewerkschaft zurück.
Der neue Mega-Flughafen - ein Prestigeprojekt des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan - soll schon am 29. Oktober in Betrieb gehen. Es ist bereits der dritte Airport der Metropole.
Der Flughafen wurde in etwas mehr als vier Jahren aus dem Boden gestampft und soll nach vollständiger Fertigstellung eine Kapazität von 200 Millionen Reisenden im Jahr haben. Das würde ihn nach derzeitigem Stand zum größten Flughafen der Welt machen. Zum Vergleich: Den Frankfurter Flughafen nutzten 2017 mehr als 64,5 Millionen Fluggäste.
Doch das hohe Arbeitstempo in Istanbul hat offenbar seinen Preis. Nach Angaben der Gewerkschaft sind bislang mindestens 32 Arbeiter auf der Baustelle ums Leben gekommen. Erst Anfang April wurde ein 35-jähriger Arbeiter von einem Gegenstand erschlagen, wie aus Dokumenten, die der dpa vorliegen, hervorgeht. In einem Bericht der Zeitung „Cumhuriyet“ ist sogar von 400 Arbeitern die Rede, die durch Unfälle auf der Baustelle ums Leben gekommen seien. Nach dem Artikel, der im Februar veröffentlicht wurde, wies das Arbeitsministerium die Vorwürfe zurück und gab an, dass 27 Arbeiter gestorben seien. Einige von ihnen hätten gesundheitliche Probleme gehabt.
„Ich habe mich sehr über diese Erklärung geärgert“, sagte Gewerkschaftler Karabulut dazu. Das Ministerium tue geradezu so, als sei eine so hohe Zahl von Todesfällen normal. Ursache seien vor allem Stürze aus der Höhe und Unfälle mit Bauschuttlastern. Diese seien oft überladen. Arbeiter fahren nach Gewerkschaftsangaben oft zu schnell, weil sie für jede Fahrt eine Prämie erhielten. Kontrollen gebe es nicht. Am Schlimmsten sei jedoch der Zeitdruck.
Verkehrsminister Ahmet Arslan wies die Vorwürfe bei einem Baustellenbesuch zurück. Alle Arbeiter erhielten ein ausreichendes Training, zudem seien Hunderte Kontrolleure im Einsatz. „Wir haben beim Bau dieses Flughafens nie gehetzt“, sagte er. „Wir tun unser Bestes, um solche Unfälle zu vermeiden, deswegen machen wir diese Schulungen.“
Die Großbaustelle, auf der mehr als 30.000 Menschen arbeiten, liegt nördlich von Istanbul, nicht weit vom Schwarzen Meer. Wie emsige Bienen fahren weiße Laster mit orangener Ladefläche hin und her und bringen Schutt weg. Das Gelände ist riesig und entspricht mit 7650 Hektar einer Fläche von etwa elf Fußballfeldern. Insgesamt sind sechs Landebahnen geplant.
Arbeitssicherheit ist nicht nur auf der Baustelle des neuen Flughafens ein Thema. 2017 gab es in der Türkei nach Gewerkschaftsangaben 2006 tödliche Arbeitsunfälle, 2016 waren es mehr als 1900. Zum Vergleich: In Deutschland gab es 2016 nach Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung 424 tödliche Arbeitsunfälle. Kritiker bemängeln, dass in der Türkei die Kontrollen generell zu schwach seien und Firmen für Verstöße nicht ausreichend bestraft werden.
2014 hatte ein türkisches Konsortium aus den Unternehmen Cengiz, Kolin, Limak, Mapa und Kalyon für mehr als 22,1 Milliarden Euro das Recht erhalten, den neuen Flughafen zu bauen und für 25 Jahre zu betreiben. Dazu wurde die Firma IGA gegründet.
Der 29. Oktober wird in der Türkei als Tag der Republikgründung gegründet. Dann soll der Flughafen in einer ersten Phase mit einer Kapazität von 90 Millionen Reisenden im Jahr eröffnet werden und den Atatürk-Airport im Südwesten Istanbuls ersetzten. Der ist inzwischen zu klein für die Millionen-Metropole.