Einbrecherbanden setzen Kinder auf Beutezügen ein
Die kleinen Helfer passen durch Löcher und vergitterte Fenster. Werden sie erwischt, sind sie schnell wieder weg.
Neuss/Krefeld. Als die Neusser Familie Hartmann (Name von der Redaktion geändert) von ihrer Shoppingtour nach Hause kommt, sind Uhrensammlung, Schmuck und Geld weg. „Wir wollten es nicht glauben: Die Einbrecher sind durch ein vergittertes Fenster eingestiegen. Da waren vielleicht 30 Zentimeter Platz“, erzählt der schockierte Hausherr. Die Kripo bestärkt seine Vermutung. „Da passt nur ein Kind durch.“ Dem Nachbarn kommt das bekannt vor. Bei ihm waren vor einiger Zeit Einbrecher im Haus, die Abdrücke von Kinderschuhen hinterlassen hatten.
Auch Rainer Bartelsheim mochte seinen Augen nicht trauen, als er dieser Tage sein Goldschmiedeatelier in der Krefelder Innenstadt betrat. In einer Wand klaffte ein circa 30 bis 35 Zentimeter großes Loch, Steinbrocken und Putzreste bedeckten das antike Mobiliar. Dann bemerkte er, dass Schmuck und Edelsteine im Wert von 5000 bis 10 000 Euro gestohlen wurden. Der 70-Jährige ist geschockt, auch über die Methode der Einbrecher: „Da wird einem ganz komisch, wenn man bedenkt, dass die da womöglich ein Kind durchgeschoben haben.“
Der Missbrauch von Minderjährigen für ihre Beutezüge ist eine Masche von international agierenden Banden, die nach Angaben des Landeskriminalamts NRW (LKA) meist aus Südosteuropa anreisen. „Da die Kinder strafunmündig sind, können die Banden sie perfekt für ihre Einbruchs- und Diebestouren nutzen“, erläutert die Bundespolizei. Die Hintermänner wüssten, dass man in Deutschland erst mit 14 Jahren zur Verantwortung gezogen würde, heißt es bei der Düsseldorfer Kripo. Das Risiko erwischt zu werden, würde bei einer Aufklärungsquote von rund 13 Prozent als gering eingeschätzt.
Sollten die Klau-Kinder doch einmal erwischt werden, werden sie in die Obhut des Jugendamtes übergeben — so auch jüngst in Aachen drei Kinder im Alter von zwölf und 13 Jahren. Sie waren in einem nicht zugelassenen und nicht versicherten Wagen unterwegs, an dem gefälschte Kennzeichen angebracht waren. Das Trio — ein Junge und zwei Mädchen — verschwand schnell wieder, um umgehend in ein weiteres Haus einzubrechen.
Für das Landeskriminalamt NRW handelt es sich um Einzelfälle. Erkenntnisse über einen Anstieg von Einbrüchen, bei denen Kinder eingesetzt werden, liegen nicht vor. „Vereinzelt werden auch Minderjährige beim Einbruch erwischt. Das ist aber eine verschwindend geringe Zahl“, erklärt Frank Scheulen vom LKA. Im Jahr 2012 wurden landesweit 5236 tatverdächtige Einbrecher identifiziert — davon waren nur 115 jünger als 14 Jahre alt und damit noch minderjährig.
Bei den Jugendlichen liegt die Zahl bereits deutlich höher — von den gefassten Einbrechern waren insgesamt 718 zwischen 14 und 18 Jahre alt. Von der großen Mehrzahl der ungeklärten Fälle — 2012 gab es landesweit 54 167 Einbrüche — hat das LKA keine Anhaltspunkte (Größe, Alter, Herkunft) über die Täter.