Senioren machten Beute im Wert von 18 Millionen Euro „Eine Klasse für sich“ - Londoner Diamantendiebe müssen ins Gefängnis

Ein ausgeklügelter Einbruch von Kriminellen der alten Schule und Beute in rekordverdächtiger Höhe: Im Prozess um einen Diebstahl im Londoner Diamantenviertel hegen viele Briten Sympathie für die Täter, die nun ins Gefängnis müssen. Einige Fragen sind immer noch offen.

Diamanten - funkelnde Faszination

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London (dpa) - Beinahe klingt es, als wolle der Richter die Bande loben. „Eine Klasse für sich“ sei es, was die Einbrecher über die Ostertage 2015 im Londoner Diamantenviertel angestellt hätten: Mehrere Tage lang Bargeld, Edelsteine und andere Beute im Wert von rund 18 Millionen Euro aus einer Depotfirma abzutransportieren, ohne dabei bemerkt zu werden. Dann verurteilte Richter Christopher Kinch die Männer zu Gefängnisstrafen von sechs beziehungsweise sieben Jahren, ein weiterer kam mit Bewährung davon.

Zwei Diebe im Alter von 75 und 61 Jahren, die als Rädelsführer gelten, sagten noch brav „Danke“, bevor sie sich wieder setzten. Das passt zu diesem spektakulären und sehr unterhaltsamen Fall um alternde Kriminelle, die es noch mal wissen wollten. „Ein Team aus den 80ern, das es mit der Strafverfolgung des 21. Jahrhundert aufnimmt“, so beschrieb es ein Anwalt vor Gericht. Der Einbruch wird von einigen als der größte in der englischen Kriminalgeschichte bezeichnet. Die Verfilmung scheint eine Frage der Zeit.

Los ging es in der Nacht zum Karfreitag vergangenen Jahres. Im Londoner Viertel Hatton Garden, wo seit Jahrhunderten mit Juwelen gehandelt wird, steigt die Bande über einen Liftschacht in den Keller einer Depotfirma. Mit schwerem Gerät bohren die Männer ein Loch in eine dicke Betonwand - groß genug, um hindurchzukriechen. Im Tresorraum brechen sie 73 Safes auf. Ihr Beute schaffen sie in Sporttaschen und Mülleimern fort. Das Osterwochenende über lassen sie sich Zeit, die Überwachungskameras laufen - und keiner merkt etwas.

Dabei hatte die Depotfirma eine funktionierende Alarmanlage. Eine Sicherheitsfirma meldete in der Nacht zum Karfreitag der Polizei, es habe einen Alarm gegeben. Warum Scotland Yard nichts unternahm, wurde nie ganz geklärt. Ein Wachmann sah von außen nur die geschlossene Tür. Und zog weiter. Der Einbruch fiel erst am Dienstag nach Ostern auf. Immerhin: Die verspottete Polizei belauschte die Drahtzieher des Coups später beim Prahlen über ihre Beute und schlug im Mai zu.

Während des Prozesses kamen interessante Details über die Diebe ans Licht. Etwa, dass die Männer sich zum Planen regelmäßig in ihrem Stammpub trafen. Der mit 61 Jahren jüngste als Haupttäter Verurteilte soll nach Aussage eines Bekannten im Morgenmantel seiner Mutter und mit einem Fes auf dem Kopf schlafen. Ein 75-Jähriger ist wohl beim Schmierestehen eingeschlafen. Derlei Wunderlichkeiten und Schwächen glichen die Männer mit Erfahrung aus: Die vier geständigen Drahtzieher waren alle bereits wegen früherer Delikte verurteilt.

Mit den Urteilen vom Mittwoch ist die Angelegenheit noch nicht beendet. Einer der Rädelsführer, mit 77 der älteste, konnte nicht am Prozess teilnehmen, er hatte im Gefängnis seinen zweiten Schlaganfall erlitten. Seine Verurteilung wurde aufgeschoben. Ende des Monats wird über das Strafmaß für eine Frau und ihren Schwager entschieden, die gestanden haben, beim Verstecken der Beute geholfen zu haben.

Überhaupt, die Beute: Teile davon haben die Ermittler zwar gefunden - auf einem Friedhof verbuddelt, unter der Mikrowelle oder klassisch unter einem Brett des Holzbodens. Aber zwei Drittel des Diebesguts sind bisher ebenso verschollen wie ein geheimnisvoller Rothaariger, der Basil genannt wird und die Einbrecher reingelassen haben soll. Wer er ist, wo er steckt - man weiß es nicht. Der Fall Hatton Garden ist längst nicht abgeschlossen. Wie im Film eben: Fortsetzung folgt.