Einsatz für die Polizisten-Seele

Seit 50 Jahren kümmern sich Polizeipfarrer um Männer und Frauen in Uniform, die dem Schrecken ins Auge blicken müssen.

Düsseldorf. Der Abendgottesdienst lief noch, da hörte Michael Pulger draußen die Martinshörner. „Ich dachte schon, dass etwas kommt“, erzählt der Priester. Der Anruf kam dann ganz rasch von der Landesleitstelle der Polizei: Loveparade, Massenpanik, Tote. Der Düsseldorfer Polizeiseelsorger hat alles stehen und liegengelassen und ist am 24. Juli 2010 sofort nach Duisburg gefahren.

Der 48-jährige freundliche Rheinländer ist einer der 24 hauptamtlichen evangelischen und katholischen Polizeiseelsorger in NRW, dazu kommen noch einmal so viele im Nebenamt. Am Montag waren es 50 Jahre her, dass die damalige Landesregierung und Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche die Institution der Polizeipfarrer besiegelten. Inzwischen gibt es Seelsorger für jede der 50 Polizeibehörden, und zwar auf Wunsch der Polizei.

Denn die Zeiten sind anders geworden, berichtet Dietrich Bredt-Dehnen, der evangelische Landespfarrer für Polizeiseelsorge. „Beratung und seelische Betreuung von Polizisten ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von einem professionellen Umgang mit dem Beruf.“

Polizisten müssen von Berufs wegen dem Schrecken ins Auge blicken: Horrorunfälle, Leichen, missbrauchte Kinder, abgebrannte Häuser, die Begegnung mit brutalen Tätern und geschundenen Opfern gehören zur Profession. Zum Teil sind es traumatische Erlebnisse für die Männer und Frauen in Uniform.

„Früher wurde gesagt: Komm, trink einen Schnaps, dann bist du morgen wieder da“, berichtet Bredt-Dehnen. Heute ist die seelische Belastung bekannt, es gibt Beratungen. Das würdigt auch die Gewerkschaft der Polizei. „In diesem System spielen Polizeiseelsorger eine wichtige Rolle“, sagt der GdP-Landesvorsitzende Frank Richter. Alle Polizeipfarrer haben auch eine therapeutische Ausbildung.

In Zimmer 3064 ist das Büro von Michael Pulger im Düsseldorfer Polizeipräsidium. Es liegt auf dem Flur der „Direktion Kriminalität“ — mittendrin im Polizeialltag. Die Einrichtung ist bunt zusammengewürfelt. Zwei Bürostühle aus Metall und ein roter Tisch, das ist die Sitzecke. Männer und Frauen in Uniform können hier vertraulich über ihre Sorgen reden.

Der alleinerziehende Vater kann sein Herz ausschütten. Eheprobleme, das Klima im Streifenwagen, ein Selbstmord im Kollegenkreis. Oder es geht um Gewalt gegen Polizisten — „ein Dauerbrenner“, sagt der Priester. Für die Männer und Frauen in der Polizeiseelsorge gilt Amtsverschwiegenheit, kein Wort dringt nach draußen.

Pfarrer Pulger macht auch Castor-Einsätze oder eine Schicht im Streifenwagen mit. Da erlebt er den Alltag der Ordnungshüter und hat Zeit für Gespräche. Und er hat es hautnah erlebt: „Der Respekt gegenüber Polizisten nimmt ab.“ Sein Handy ist rund um die Uhr an. Pulger ist viel unterwegs. Der neue Dienstwagen ist nach zehn Tagen schon 1500 Kilometer gelaufen.