Erotischer Gottesdienst — frei ab 16

Pfarrer Ralf Schmidt wagt ein besonderes Experiment.

Wiesbaden. „Und Adam erkannte sein Weib Eva.“ Pfarrer Ralf Schmidt kann sich nichts Schöneres vorstellen. „Der Erkenntnisfortschritt macht den Menschen aus“, sagt der 47-Jährige, der Sonntag ab 10 Uhr in der Erlösergemeinde Mainz-Kastel, einem Stadtteil von Wiesbaden, einen erotischen Gottesdienst feiert — freigegeben ab 16 Jahren. „Die Menschen werden über einen roten Teppich laufen, Rosenblätter regnen herab und streicheln die Haut“, sagt er. „Zudem werden wir tanzen. Es gibt eine Salbung mit wohlriechendem Öl.“

Die Kirche sei weder sexual- noch leibfeindlich, die Bibel sogar ein sehr erotisches Buch und Gott in der Sexualität gegenwärtig. In der Gottesdienstreihe „Die großen Gefühle der Menschheit“ setzt Schmidt dieses Thema nun um. Die Idee wurde im Schulunterricht einer neunten Klasse geboren. „Wir sprachen über Liebe und Partnerschaft, kamen dabei auf Sexualität zu sprechen“, sagt der Pfarrer.

Von den durchschnittlich 80 regelmäßigen Besuchern seiner Gottesdienste seien 30 unter 20 Jahre alt. „In jungen Jahren beschäftigt man sich viel mit dem Entdecken der eigenen Sexualität“, sagt er. „Wir wollen die Lebensthemen der Jugendlichen in die Kirche holen.“

Schmidt will dem Tabu seine Macht nehmen, es „zerstören“, wie er sagt, damit Sexualität etwas ganz Normales werde. Auf derbe Ausdrücke wolle er in seiner Predigt daher bewusst verzichten. „Es gibt in der Gesellschaft einen enormen Nachholbedarf. Unser Leben ist sehr sexualisiert — mit einer vulgären Sprache. Man muss auch anders darüber reden können.“ Das Ziel seien neue Worte, eine „heilige Sprache“.

Wie der Pfarrer das vor versammelter Gemeinde umsetzen will, verrät er nicht. „Die Menschen sollen nach dem Gottesdienst jedenfalls wohlig warm nach Hause gehen und von der Zärtlichkeit Gottes etwas gespürt haben“, sagt er.

Der Brisanz des Themas ist sich der Wiesbadener dennoch bewusst. Ohne Altersbeschränkung hätte er den Gottesdienst nicht geplant. „Wenn Jüngere, die ohne ihre Eltern in die Kirche gehen, zu Hause davon erzählen, kommt es nachher falsch rüber“, sagt Schmidt. Sollte der Gottesdienst ein Erfolg sein, wolle der Pfarrer ihn wiederholen. „Vielleicht am Valentinstag.“