Experten sehen immer mehr Burnout-Symptome bei Studenten
Chemnitz (dpa) - Experten stellen bei Studenten immer mehr Burnout-ähnliche Symptome fest. Bei einer Befragung unter psychologischen Beratern von Studentenwerken aus 14 Bundesländern stellten 83 Prozent eine Tendenz zu einer allgemeinen Überlastung und psychischen Erschöpfung bei Studenten fest.
Obwohl die meisten Fachleuten den Begriff Burnout angesichts der unterschiedlichen Erschöpfungserscheinungen mit Skepsis betrachteten, sehen 61 Prozent der Berater vor allem in den vergangenen fünf Jahren „einen deutlichen Anstieg von Burnout im engeren Sinne“, erklärte die Autorin der Diplomarbeit im Fach Soziologie an der TU Chemnitz, Doreen Liebold, der Nachrichtenagentur dpa.
Als Ursache hätten die Fachleute vor allem die Umstellung auf das Bachelor/Master-Studium benannt. Problematisch seien die erhöhte Arbeitsdichte und der Mangel an Freiräumen verbunden mit dem gesamtgesellschaftlich steigenden Leistungs- und Konkurrenzdruck. Der Begriff Burnout werde aber im Beratungsalltag mit einer gewissen Vorsicht verwendet. Laut Liebold ist er „wenig geeignet, da er unspezifisch ist und bislang eine eindeutige Definition fehlt“.
Unterschiede zwischen einzelnen Studienrichtungen machte die Mehrheit der Experten nicht aus - wohl aber zwischen Männern und Frauen: Nach Auffassung der meisten Berater weisen männliche Studenten Hilfe ab. Ihre Probleme äußerten sich besonders in Lern- und Arbeitsstörungen. Demgegenüber litten Studentinnen verstärkt an Stress und Überforderung, verbunden mit psychosomatischen Beschwerden oder depressiven Verstimmungen.
In ihrer Diplomarbeit stieß die Wissenschaftlerin zudem auf das Problem Suchtmittel, bei dem es vor allem um Präparate zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit gehe. „47 Prozent der Befragten waren in ihrem Beratungsalltag schon einmal mit dem Thema Leistungsdoping konfrontiert.“ Vermutet werde zudem eine hohe Dunkelziffer, erklärte Liebold.
Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der befragten Berater kritisierte, dass die aktuelle Personalausstattung in den Beratungsstellen der Studentenwerke „angesichts der sich anstauenden Probleme völlig unzureichend sind“, formulierte die Autorin weiter. Ihre Abschlussarbeit schrieb die Studentin an der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften am Lehrstuhl für Industrie- und Techniksoziologie bei Professor Dr. G. Günter Voß.
Vergleichbare Erhebungen aus der Zeit vor der Einführung des Bologna-Prozesses sind nach TU-Angaben nicht bekannt. Andere Studien hätten psychosoziale Schwierigkeiten oder psychische Erkrankungen von Studenten nur allgemein erfasst, Burnout als Untersuchungsgegenstand sei bisher vernachlässigt worden, hieß es.
Für ihre Studie hat Liebold die von April bis Juni 2011 bei ihr eintreffenden, schriftlichen Antworten auf einen per Mail versandten Fragebogen ausgewertet. Die 36 teilnehmenden Berater verteilten sich auf 25 Studentenwerke aus fast allen Bundesländern außer Hessen und Bayern - und damit auf 60 Prozent der deutschen Studentenwerke mit psychologischen Beratungsstellen.