Extremsportler will Rekordsprung wagen
Wien/Roswell (dpa) - Er stürzte sich als Basejumper bereits von der Christus-Statue in Rio de Janeiro, flog mit einem selbst entwickelten Flügel über den Ärmelkanal. Felix Baumgartner (43) hat sich auch schon von einem der höchsten Gebäude der Welt in Taipeh 508 Meter in die Tiefe fallen lassen.
Mit seinem aktuellen Projekt will der Extremsportler buchstäblich eine neue Sphäre erreichen. Der Österreicher plant, am Dienstag in den USA aus 36 Kilometern Höhe im freien Fall die Schallmauer durchbrechen. Doch vor dem Rekordversuch heißt es noch einmal Nerven bewahren für Baumgartner: Für das halsbrecherische Projekt müssen optimale Wetter- und Windverhältnisse herrschen. So musste der für Montag angesetzte Sprung wegen einer Schlechtwetterfront bereits verschoben werden. Der neue Versuch soll am Dienstag folgen. „Die gute Nachricht ist, dass wir bei dieser Wetterkonstellation direkt danach mit ein oder zwei Tagen sehr günstigen Bedingungen für einen Ballonstart rechnen können“, sagte der Wetterexperte des Teams, Don Day. Eine Generalprobe am Wochenende sei außerdem erfolgreich verlaufen.
Die Planung für den Sprung aus der Stratosphäre irgendwo über dem Ort Roswell im US-Bundesstaat New Mexiko läuft bereits seit fünf Jahren. Akribisch planten Wissenschaftler jeden Schritt. Der Aufstieg in die Stratosphäre erfolgt mit einem Heliumballon, der zehnmal dünner ist als eine herkömmliche Plastiktüte. Baumgartner befindet sich dabei in einer Kapsel, die zusätzlich durch einen Käfig geschützt ist.
Die Kapsel soll Baumgartner vor den unwirtlichen Bedingungen in der Stratosphäre, der extremen Kälte und dem niedrigen Sauerstoffgehalt, schützen. Vor dem Fall wird er nur mit seinem speziellen Druckanzug und einem Helm ausgerüstet aus der Kapsel steigen. Eine kleinen Plattform auf der Kapsel dient ihm als stabiles Sprungbrett in die Tiefe.
Nach dem Übergang zur Überschallgeschwindigkeit soll er selbst einen Fallschirm lösen, um wieder heil auf der Erde zu landen. Ein integriertes Alarmsystem löst den Schirm nur im Notfall. Weitere Sicherheitsvorkehrungen gibt es nicht.
„Ich will nicht live tödlich verunglücken“, sagte der 43-Jährige der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Die Mission, die von Fernsehsendern und Internatportalen live übertragen wird, soll nicht als Projekt eines Adrenalinjunkies gesehen werden, betonte er.
Er wird nach den Berechnungen eine Spitzengeschwindigkeit von etwa 1110 Kilometern pro Stunde erreichen. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die für die weitere Entwicklung der Raumfahrt wichtig seien, sollen erforscht werden, heißt es. „Eines Tages wird es vielleicht sogar möglich sein, auf diese Art und Weise Astronauten von nicht mehr funktionsfähigen Raumfähren sicher nach Hause zu bringen. Das klingt vielleicht nach Science Fiction, doch derzeit entwickelt sich die Luftfahrt in genau diese Richtung“, erklärte Baumgartner.
Die Meinung vertritt Österreichs erster Mann im All, Franz Viehböck, nicht. „Mit Wissenschaft würde ich das nicht in Verbindung bringen“, sagte der ehemalige Astronaut der Tageszeitung „Kurier“. Das verdiene zwar seinen Respekt, sei aber eher eine „One-Man-Show“. „Ich würde für mich auch keinen Sinn darin sehen“, sagte Viehböck.
Auch bei den Vorbereitung auf den etwa fünfeinhalb Minuten langen freien Fall ging nicht immer alles glatt. Es gab nicht nur einen Rechtsstreit in den USA, der das Projekt fast ein Jahr stoppte. Neben der Beschädigung der Kapsel bei einem Testsprung im August bereitet auch das Wetter dem spektakulären Vorhaben immer wieder Probleme. Die Windgeschwindigkeit darf beim Start nicht mehr als drei Kilometer pro Stunde betragen. Sonst kann der Ballon vor dem Start in der achtstündigen Prozedur nicht in die richtige Position gebracht werden. Es wäre jedenfalls die letzte Möglichkeit in diesem Jahr: Danach schließt sich das Zeitfenster wetterbedingt wieder.
Bei einem erfolgreichen Sprung würde der Salzburger gleich vier Weltrekorde brechen: die höchste bemannte Ballonfahrt, den längsten freien Fall, die höchste im freien Fall erreichte Geschwindigkeit und den höchsten Absprung der Welt. Den bisherigen Höhenrekord hält seit 52 Jahren Joe Kittinger, der Baumgartner als Mentor zur Seite steht. Der ehemalige Soldat sprang aus einer Höhe von 31 332 Metern.
Klar ist, dass das Vorhaben trotz haargenauer Vorbereitung ebenso rekordverdächtig wie gefährlich ist. „Mittlerweile ist die Angst mein Freund geworden. Sie hilft mir, nicht zu viel zu riskieren“, sagte Baumgartner. Auf seiner Facebook-Seite hält er seine Fans regelmäßig auf dem Laufenden und bedankt sich für das Daumendrücken. „Glaubt mir, das kann ich wirklich gebrauchen“, schrieb er.