Fassungslos: Ein Tag nach dem sechsfachen Mord

Duisburg war ein Tag nach dem Mafia-Mord von Normalität noch weit entfernt. Während Polizisten den Edel-Italiener "Da Bruno" durchsuchen, vor dem die Tat geschehen ist, umarmen sich vor dem geschlossenen Restaurant weinende Freunde oder Angehörige.

Duisburg (dpa). Trauer, Wut und Spekulationen über die Macht der Mafia im Ruhrgebiet - am Tag nach dem Sechsfachmord war Duisburg von Normalität noch weit entfernt. Während Polizisten den Edel-Italiener "Da Bruno" durchsuchen, vor dem die Tat geschehen ist, umarmen sich vor dem geschlossenen Restaurant weinende Freunde oder Angehörige. "Warum" steht auf einem großen Schild, das sie aufgestellt haben. Daneben stehen Friedhofskerzen und liegen weiße Lilien, Gerbera und Nelkensträuße auf dem Boden. "Ciao Sebastiano" und "Ciao Tomasso" haben Angehörige auf Karten geschrieben. Tomasso-Francesco, Lehrling im "Da Bruno", war gerade 18 geworden, die späteren Opfer hatten zusammen in seinen Geburtstag hineingefeiert - dann fielen die tödlichen Schüsse. Um die Mittagszeit kommen immer Menschen, bald sind es mehr als 50 Freunde, Nachbarn und Bekannte, die Abschied nehmen wollen. Journalisten auch aus Italien filmen. "Unglaublich - und das mitten in Deutschland" steht auf einem roten Briefumschlag. Welche Macht hat die Mafia in der Ruhrgebiets- Großstadt und was können wir tun? Diese Frage steht im Mittelpunkt vieler Gespräche. "Die Menschen sind einfach zu passiv. Man muss sich wehren und sofort die Polizei anrufen", sagt eine 34-jährige Nachbarin, die nur 100 Meter entfernt wohnt. Dass in Duisburg mehrere italienische Restaurants "kontrolliert" werden, ohne dass irgendjemand die Polizei anruft, wird unter den 3500 Italienern in der Stadt offen erzählt. Auch das "Da Bruno" wird in diesem Zusammenhang genannt. Es sei öfter auffällig leer gewesen, sagt eine Italienerin. Man habe sich schon gefragt, wovon das Restaurant lebe. Genannt werden will sie aber nicht. "Das ist sinnlos. Man macht sich die Frage und denkt, egal." Besonders im Mittelpunkt der Spekulationen steht am Tag nach der Tat das Duisburger Spitzenhotel "Landhaus Milser" des ehemaligen Weltklasse-Gewichthebers Rolf Milser, in dem die Suite über 1000 Euro kostet. Mit-Geschäftsinhaber Antonio Pelle stammt nämlich ebenfalls aus San Luca, dem Herkunftsort der verfeindeten Mafia-Familien Vottari-Romeo-Pelle und Strangio-Nirta. Die Gleichheit des Nachnamens mit der Mafia-Familie heizt vielfach die Fantasie an. Schließlich war im vergangenen Jahr zur Fußball- Weltmeisterschaft unter großem Medieninteresse die italienische Nationalmannschaft in dem Duisburger Haus abgestiegen. Der Geschäftsmann hat entnervt von zahllosen Anrufen sein Handy abgestellt. "Er ist seit 36 Jahren hier in Duisburg und mit der Mafia-Famile weder verwandt noch verschwägert", sagt Milser stellvertretend für seinen italienischstämmigen Kompagnon. In San Luca gebe es 30 oder 40 Pelle-Familien. "Maier, Müller und Schulze kommt hier schließlich auch öfter vor."