Fernsehen: Kerner wird zum Kellerkind
Moderator erlebt bei Sat.1 ein Quoten-Debakel. Die Gründe dafür sind hausgemacht.
München/Hamburg. Noch eine Stufe tiefer in den Keller geplumpst: Johannes B. Kerner schafft auch auf dem neuen Sendeplatz am Donnerstag bei Sat.1 keinen Quotenschub. Nur 990 000 Zuschauer schalteten sein Magazin um 22.15 Uhr ein, das ist ein Marktanteil von weit unterdurchschnittlichen 5,8 Prozent.
Anfang November war "Kerner" montags um 21.15 Uhr gestartet, aber gegen die Konkurrenz der RTL-Kuppelshow "Bauer sucht Frau" umgehend untergegangen.
Vier Sendungen haben gereicht, um die Vorzeichen umzudrehen: Beim ZDF war der 44-Jährige nach allem, was der Flurfunk trommelt, zwar nicht besonders beliebt, genoss aber jahrelang einen guten Ruf als Alles- und Allzeitmoderator. Nun ist er auf dem besten Weg, zum teuren Sorgenkind des Münchner Privatsenders zu werden.
Bedauern muss man Kerner deshalb nicht, denn die Gründe für den Absturz sind hausgemacht und vor allem absehbar gewesen. Das fängt beim altbackenen Konzept seines Magazins an, das der Sender als "journalistisches Flagschiff" anpreist. Es ist zwischen der einstigen Quoten- und Tränen-Queen Margarethe Schreinemakers und "Stern-TV"-Altmeister Günther Jauch angesiedelt. Wen will Kerner damit noch an die Fernbedienung locken?
Im ZDF konnte sich Kerner auch gedanklich an seinen Fragekärtchen festhalten - immer erkennbar am abwesenden "Hmm, hmm"-Gemurmel. Bei Sat.1 müsste er mal spontan sein, selbst einen Scherz machen. Doch es bleibt im Krampf stecken - schön zu beobachten, als Kerner sich am Donnerstag mal von den Kärtchen trennen und sie in der Hose verstauen will, er sie aber nicht in die Tasche bekommt.
Am besten beherrscht er weiterhin gefällige Fragen zu geschmeidigem Nicken, diesmal im Gespräch mit der HIV-infizierten Popsängerin Nadja Benaissa von den No Angels. Wie üblich kommt bei diesem Kuschelplausch wenig heraus. Manchmal geht er auch ganz daneben: In einer Sondersendung zum Tod von Robert Enke fragte Kerner mit treuherzig schief gelegtem Kopf nach einem möglichen "Mini-Mini-Mini-Sinn" seines Todes.
Auch Kerners Redaktion fällt bestürzend wenig ein - die Gäste und Themen setzen kaum neue Akzente. Die Service-Tipps zum Stromsparen etwa wurden in allen Medien schon zigmal rauf- und runtergebetet.
Die Quotenfrage hat Kerner bereits im Vorfeld kleingeredet: "Wir schauen nicht auf die erste, zweite Sendung, sondern wir warten mal 20 bis 30 Sendungen ab." So lange werden die Sender-Eigentümer KKR und Permira nicht warten: Die Investoren pochen auf satte Renditen.
Sat.1 ist mittlerweile geübt in Durchhalteparolen. "Wir sind ganz entspannt", sagte eine Sendersprecherin beim Wechsel von Montag auf Donnerstag. Kerner nannte ihn "eine gute Entscheidung" - da fragt sich nur, wer woher die schlechte Entscheidung für den Montag getroffen hatte.
Thomas Ebeling, Vorstandvorsitzender des Medienkonzerns ProSiebenSat.1, sprach sich am Freitag in der "Süddeutschen Zeitung" für Kerner aus: "Die Verpflichtung war absolut richtig." Er weist aber darauf hin, dass der Moderator auch noch anderes macht, "vor allem Fußball oder den Jahresrückblick".
Doch wenn das Magazin wegbricht, wird das für beide teuer. Der Sender soll nach Medienberichten einen höheren einstelligen Millionenbetrag pro Jahr als Produktionsauftrag zahlen. Und Kerner braucht die erfolgreiche TV-Präsenz, um weiter gutes Geld mit Werbung zu verdienen.