Porträt: Manchmal ist ihr schon mulmig
Antonia Rados braucht Mut für ihre riskanten RTL-Reportagen. Nun berichtet sie über Frauen in Afghanistan.
Paris/Kandahar. Antonia Rados hat aufgehört zu zählen. 30 bis 40 Mal sei sie in Afghanistan gewesen, sagt sie. Das erste Mal 1980, kurz nach der sowjetischen Invasion, damals noch für den österreichischen Rundfunk ORF.
Für RTL hat sie nun bei zwei Reisen im August und im Oktober für eine längere Reportage recherchiert, die nebenbei das westliche Dilemma deutlich macht: Einerseits dokumentiert Rados angesichts der Macht der Taliban das Scheitern der internationalen Mission, andererseits führt sie die fatalen Folgen eines Abzugs der ausländischen Truppen vor Augen.
"Ich glaube, dass die Taliban ganz bewusst Krieg gegen die Frauen führen", sagt die 56-Jährige. In "Frauen in Angst" reist sie mit einer Politikerin, deren Ehemann bei einem Attentat getötet wurde, in die Taliban-Hochburg Kandahar. "Wenn die Taliban an die Macht kommen, bringen sie uns alle um", erklärt die Frau.
3000 Euro würden die Taliban für einen Frauenmord zahlen. Die Taliban selbst bleiben im Film allerdings unsichtbar, sind Phantome des Schreckens. In einer Szene wird eine Frau auf offener Straße hingerichtet. Weil sie für die Amerikaner gearbeitet habe, sagt Rados. Angeblich wurde ein Kameramann von Al Dschasira von den Taliban gezwungen, die Szene zu drehen - zur Abschreckung.
Aus dem eigenen Mut, den ein solcher Film erfordert, macht Antonia Rados keine große Sache. Die Fahrt nach Kandahar, wo sie von Kopf bis Fuß in schwarze Kleider gehüllt war, sei eine "mulmige Angelegenheit" gewesen, bei der sie bewusst Risiken eingegangen sei.
Ansonsten beherzige sie zwei Regeln: Nirgendwo länger als eine halbe Stunde bleiben, wegen der Entführungsgefahr, und möglichst unauffällig arbeiten. In der Hauptstadt Kabul habe sie keine Angst, doch man müsse "irrsinnig aufpassen", weil man nach einigen ruhigen Tagen leichtsinnig werde. Bei einem ihrer Aufenthalte erlebte sie einen Angriff auf ihr Hotel.
Dass es für die Frauen eine "mittlere Katastrophe" (Rados) wäre, wenn der Westen abzieht und die Taliban ungehindert im Land wüten, daran lässt der Film keinen Zweifel.
Dennoch vermeidet sie einen politischen Kommentar. "Ich bin persönlich nicht dazu da, den Zuschauern zu erklären, was sie zu denken haben", sagt Rados, die für ihre Reportage über Selbstverbrennungen zwangsverheirateter Frauen in Afghanistan 2007 für den Grimme-Preis nominiert war und in 30 Berufsjahren vor allem eins geblieben ist: Reporterin. "Ich gehe einfach hinaus", sagt sie.
Für den Privatsender RTL ist diese gestandene Journalistin ein Glücks- und ein Sonderfall. Neben all den alerten News-Kollegen wirkt sie wie aus einer anderen Welt. Doch der Ausflug zurück ins öffentlich-rechtliche Reich dauerte im vergangenen Jahr nicht lange.
Ein böses Wort über ihr neunmonatiges Intermezzo beim ZDF kommt ihr aber bis heute nicht über die Lippen. "Die Schwierigkeiten, die ich beim ZDF hatte, sind allein meine Schuld", sagt die Österreicherin. Die Entscheidung, zu RTL zurückzukehren, habe sie nicht bereut. "Ich bin fair und offen aufgenommen worden."
RTL, So. 22.45 Uhr: "Frauen in Angst"