Flüsse, Kanäle und Seen werden schnell zur tödlichen Gefahr

Immer weniger Kinder können schwimmen. Das Schulministerium unterstützt deshalb Schwimmkurse mit Projektmitteln.

Düsseldorf. Die Arme am Rand des Schwimmbeckens, die Beine machen Froschbewegungen, dann ein paar Stunden später die erste Bahn im großen Becken und schließlich das begehrte Seepferdchen an der Badehose: Bilder von Schülern mit dem Abzeichen werden immer seltener. Stattdessen sind in Nordrhein-Westfalen in nur einem Monat drei Kinder bei Badeunfällen ums Leben gekommen.

„Ich hoffe nicht, dass wir da auf eine tragische Entwicklung zusteuern“, sagt Bärbel Brünger, Sprecherin der DLRG Westfalen. Das Problem sei, dass immer weniger Kinder schwimmen können. Je nach Statistik ist von 30 bis 45 Prozent der Viertklässler die Rede. „Aus unserer Sicht brauchen Kinder mindestens das Bronzeabzeichen, um sich sicher im Wasser bewegen zu können.“ Das Seepferdchen reiche nicht. Denn gerade Flüsse und Kanäle würden schnell zur tödlichen Gefahr. „Es reicht, wenn das Wasser bis zur Hüfte geht. Wenn dann die Strömung kommt und einem die Füße wegzieht, wird es gefährlich.“

Gleichzeitig warnt Brünger vor Schwimmhilfen für Nichtschwimmer. Schwimmflügel — wie sie derzeit die Düsseldorfer Bädergesellschaft in allen Hallen- und Freibädern verteilt — seien als zusätzlicher Schutz für Kinder geeignet, die bereits schwimmen könnten. „Reifen und andere Dinge sind Spielzeuge. Sie haben aber keinen Rettungseffekt.“

Auch die Landesregierung hat das Nichtschwimmer-Problem bei Kindern erkannt und reagiert. Seit 2006 gibt es die Aktion „Quietschfidel“. Aus ihr ist unter anderem „NRW kann schwimmen“ entstanden. Für das Projekt können Verbände und Vereine sich bewerben und bekommen pro Schwimmkurs einen Zuschuss von 250 Euro. 197 Kurse sind auf diese Weise zusammengekommen, die jetzt in den Ferien angeboten werden.

„Das ist sicher ein sinnvolles und lohnenswertes Projekt. Aber es hat den falschen Ansatz“, sagt Michael Grohe, DLRG-Sprecher des Landesverbands Nordrhein. Zwar liege es auch an den Eltern, die ihre Kinder seltener zu Kursen anmelden würden, dass es immer mehr Nichtschwimmer gebe. Aber die engste Stelle des Flaschenhalses seien die Bäder, von denen immer mehr geschlossen würden. „Wir brauchen mehr Wasserzeiten. Denn wir bieten ja nicht nur Kurse an, sondern müssen auch unsere Ausbilder ausbilden.“ Gerade einmal fünf Bäder seien in NRW seit 2007 neu gebaut worden — dem gegenüber stünden 81 Schließungen.

In Solingen sind in den vergangenen Monaten zwei Bäder geschlossen worden, zwei weitere gibt es noch. Die Stadt Remscheid betreibt mittlerweile keine eigenen Bäder mehr. „Bei uns ist Anfang des Jahres das Bürgerbad Vohwinkel geschlossen worden“, sagt Pressesprecherin Ulrike Schmidt-Keßler. Wieviel Schwimmunterricht dadurch auch an Schulen ausfällt, weiß bei der Landesregierung niemand genau. „Es gibt keine Erhebung“, sagt Jörg Harm, stellvertretender Sprecher des Schulministeriums NRW. Derzeit erarbeite man ein neues Verfahren, um das herauszufinden.