Gedenken an die Bücherverbrennung

Berlin (dpa) - Deutschland hat sich nach den Worten von Bundestagspräsident Norbert Lammert bis heute nicht vollständig von den Folgen der Bücherverbrennungen der Nazis erholt.

Die Verfolgung Hunderter Autoren und die öffentliche Vernichtung ihrer Werke seien Teil eines Zivilisationsbruchs gewesen, der in Kultur und Wissenschaft nachwirke, sagte Lammert auf einer Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung am Freitag in der Berliner Humboldt-Universität.

Am 10. Mai 1933 hätten nur wenige Meter von der Universität entfernt auf dem Berliner Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz, NS-Studenten ein „bizarres Staatsschauspiel“ inszeniert - mit Unterstützung der Professoren, wie Lammert betonte. Die Scheiterhaufen seien ein Symbol für die mutwillige Zerstörung und die Selbstaufgabe der Demokratie. Der Exodus der Intellektuellen habe einen kulturellen und wissenschaftlichen Aderlass ausgelöst. Lammert zitierte den Schriftsteller Joseph Roth, der schon vor Machtantritt der Nationalsozialisten gesagt hatte: „Sie werden unsere Bücher verbrennen und uns damit meinen.“

Der Präsident der Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, sagte, die Hochschule habe dabei eine umrühmliche Rolle gespielt. Kein Professor habe Einspruch gegen die Verbrennung erhoben, die Initiative für die „schwarzen Listen“ sei von den Studenten ausgegangen.

Auch an weiteren Orten in Deutschland wurde am Freitag an die Bücherverbrennung erinnert. Mit der „Aktion wider den undeutschen Geist“ hatten die Nationalsozialisten in mehr als 20 Städten tausende Werke bekannter Autoren vernichtet, darunter Bücher von Lion Feuchtwanger, Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Sigmund Freund und Karl Marx.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nannte die Bücherverbrennung einen „Akt der Barbarei und der antidemokratischen Hetze“. Büchern seien auch Toleranz, Liberalität und Pluralismus verbrannt.

Mit einer Kunstaktion wurde auf dem Münchner Königsplatz der Vernichtung der Bücher gedacht. Der Künstler Wolfram Kastner verbrannte ein Stück Rasen - genau dort, wo die Bücher verfemter Autoren 1933 brannten. „Über die Geschichte darf kein Gras wachsen“, erklärte Kastner. Anschließend lasen Freiwillige aus Büchern der damals sogenannten „Reichsfeinde“, darunter Bertolt Brecht, Heinrich und Klaus Mann, Alfred Döblin und Erich Maria Remarque

In Hamburg wurde mit öffentlichen Lesungen der verbotenen Bücher gedacht. Zu den Teilnehmern der Dauerlesung auf dem Campus der Universität gehörte der Autor Harry Rowohlt, der ein Spottgedicht von Erich Weinert vortrug. Auch am Gänsemarkt, am Rathausmarkt und am Carl-von-Ossietzky-Platz waren Lesungen geplant.

Der Berliner Landesbischof Markus Dröge sagte auf einer Veranstaltung auf dem Bebelplatz, die Bücherverbrennung sei kein „planloses oder spontanes“ Spektakel gewesen. Die Studenten hätten erschreckend einfach die NS-Ideologie übernommen und die freie Meinungsäußerung verraten. An dem Gedenken nahmen Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche sowie der Jüdischen Gemeinde teil. Schauspieler trugen Texte aus verbotenen Büchern vor.

Auf dem Platz neben Staatsoper und Hedwigskathedrale hat der israelische Künstler Micha Ullman ein unterirdisches Denkmal geschaffen: Eine Bibliothek ohne Bücher, die durch ein Glasscheibe im Boden einzusehen ist.