Gefallener „Modepirat“: Dior wirft Galliano über Bord

Paris (dpa) - Die Pariser Prêt-à-Porter-Schauen für Herbst/Winter 2011/12 haben ihren Skandal: Nur wenige Stunden nach dem Auftakt am Dienstag kündigte das französische Modehaus Christian Dior das Ende seiner 15-jährigen Zusammenarbeit mit dem exzentrischen Briten John Galliano (50) an.

Bereits seit dem 25. Februar ist der Paradiesvogel der Modebranche suspendiert, weil zwei Klagen wegen antisemitischer Pöbeleien gegen ihn vorliegen. Nach dem Bekanntwerden eines Videos hatte Dior nun genug und sprach in einer Erklärung von „besonders abscheulichem“ Verhalten.

In dem im Internet verbreiteten Film war ein sichtlich betrunkener, Galliano ähnelnder Mann zu sehen, der lallend Hitler hochleben ließ und Gäste am Nachbartisch auf übelste Weise beschimpfte.

Die Erklärung von Dior folgte auf erste negative Reaktionen aus Hollywood. Die am Sonntag mit einem Oscar gekürte Schauspielerin und Dior-Werbeträgerin Natalie Portman („Black Swan“) schrieb nach Angaben der „New York Times“ in einer Pressemitteilung, sie sei „zutiefst schockiert und angewidert“ von Gallianos Pöbelei: „Angesichts dieses Videos und als Frau, die stolz ist auf ihre jüdische Herkunft, möchte ich in keinerlei Verbindung zu Herrn Galliano stehen. Ich hoffe, dass diese schrecklichen Kommentare uns zum Nachdenken bewegen.“

Galliano war nach einem Vorfall in einer Pariser Bar, wo er Gäste mit antisemitischen Kommentaren beleidigt haben soll, kurzfristig festgenommen worden. Am Freitag wurde er von Dior suspendiert. Galliano, der als exzentrischer Narziss der Modeszene gilt, hatte die Vorwürfe zuletzt bei einer Gegenüberstellung zurückgewiesen und Anzeige wegen Diffamierung und Beleidigung erstattet. Später meldete sich außerdem eine Pariserin, die angeblich ähnliches mit Galliano erlebt hatte. Auch sie erstattete Anzeige.

Für das Enfant terrible der französischen Modeszene zeichnete sich allerdings bereits seit längerem ein Ende der glanzvollen Karriere ab. Der als empfindlich bekannte Kreativdirektor mit dem Hang zu spielerischen Verkleidungen - vom Piraten bis zum Torero - hatte sich nach Ansicht von Modeexperten schon bei seinen vergangenen Schauen modisch etwas überlebt. Erste Spekulationen über einen möglichen Nachfolger tauchten auf.

Galliano, der auch Kollektionen für seine eigene Marke John Galliano entwirft, die zu 91 Prozent von Dior kontrolliert wird, stand zunehmend unter Stress. Immer wieder tauchten Spekulationen über seinen Alkohol- und Drogenkonsum auf.

Bei den Prêt-à-Porter-Schauen wird es daher kaum noch um modische Akzente gehen, sondern vor allem um die Frage: Wer wird Galliano bei Dior beerben. Glaubt man französischen Medien, so steht der dem Haus Dior früher bereits verbundene Hedi Slimane in vorderster Reihe.