ARD zeigt starke Videotext-Kunst

Berlin (dpa) - Es ist Sex in eckig. Wer die ARD-Videotext-Seite 832 aufschlägt, stößt in diesen Tagen auf Kim Kardashians Po. Er blinkt in Rot und Blau.

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Der Berliner Künstler Ryo Ikeshiro hat ein bekanntes Zeitschriftencover verfremdet, auf dem die US-Prominente keck das eingeölte Hinterteil entgegenstreckt. Videotext kann mehr sein als Wetterbericht, Sportergebnisse und Untertitel. Beim Internationalen Teletext Art Festival (ITAF) geht es darum, „die kreativen Aspekte des Teletextes zu erforschen“, erläutert die Redaktion von ARD Text.

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Der Videotext, auch Teletext genannt, der in den 1970ern in Großbritannien erfunden wurde und von 1981 an zuerst in West-Berlin für deutsche Zuschauer verfügbar war, hat eine treue Fangemeinde. „Wir hatten das Glück, dass Teletext sich durchgesetzt hat“, erläutert der stellvertretende Leiter von ARD Text, Joachim Kotelmann. Er ist hierzulande einer Pioniere der Technik gewesen. Elf Millionen Menschen nutzen heute regelmäßig das Informationsangebot im pixeligen Retro-Look, wenn man alle deutschen Sender zusammenrechnet. Die Computer der Quotenmessung erfassen sogar, wie oft welche Seiten.

Dass es bis 2012 dauerte, bis Kunst den Teletext eroberte, ist fast verwunderlich. Zwar gab es schon in den Nullerjahren Experimente, wie ITAF-Kurator Juha van Ingen erläutert. Aber: „Die Künstler haben früher eher die Teletext-Ästhetik übertragen.“ Es gab Ausstellungen, etwa mit Bildern in dem Look. Doch erst der Finne van Ingen und die Künstlerkooperative FixC brachten sie auf die Mattscheibe daheim. Das Motto 2015 lautet folgerichtig: „Bleib zu Hause!“ Es ist die vierte ITAF. Eine Million Menschen haben 2014 bei ARD und ORF eingeschaltet.

„Es ist eine Herausforderung, mit 40 Pixeln die Welt darzustellen“, schildert van Ingen Problem und Reiz der Aufgabe. Eine Seite hat 40 Anschläge in 24 Zeilen und sechs Farben plus Schwarz und Weiß.

Die im Ersten ausgestrahlten Bilder auf den Teletext-Seiten 801 bis 834 zeigen teils abstrakte, teils gegenständliche Motive, gebildet aus Pixeln. Bunte Landschaften lösen sich mit Gesichtern, Tieren, geometrischen Formen und Sinnsprüchen ab. Die Wienerin Karin Ferrari (Seite 806) etwa zeigt eine weiße Maus, die durch das Blinken mit dem Schwanz zu wackeln scheint. „Das Blinken ist der einzige Effekt bei Teletext“, erläutert ARD-Text-Chefin Frauke Langguth. „Man kann es an- und ausschalten. Das nutzen die Künstler.“ Das Wort „Darktxt“ unter der weißen Maus scheint auf das Darkweb im Internet zu verweisen.

„Die Arbeiten sind sehr komplex. Manche haben psychedelische Wirkung“, sagt Langguth, der das Projekt ein großes Anliegen ist. „Wir haben nicht unendlich viel Platz im Text. Aber für Kunst muss Raum da sein.“ Mit der Ausbreitung des Internets seien grafische Elemente im Videotext mit den Jahren selten geworden. Ausnahmen: Auf Seite 199 gibt es einen Testbild, an Weihnachten wird auch mal ein Tannenbaum gezeigt. Es sei eine ganz besondere Ästhetik: „Es wurde eben nicht mit Ölfarben gearbeitet, sondern mit Algorithmen.“

15 Künstler und Gruppen nehmen am Wettbewerb um den Teletext Art Prize 2015 teil, darunter Teilnehmer aus Deutschland, Norwegen, Österreich, Schweden, den USA, Finnland und Japan.

Teilnehmer Holger Lippmann aus Berlin bespielt Seite 810. Seine Kunst erinnert stark an die französischen Pointilisten. Lauter Punkte. „Ich hatte die Idee, eine romantische Landschaft in eine absolut unromantische Pixel-Umgebung zu bringen.“ Rainer Kohlberger (Seite 818) aus Linz in Österreich reizte das Überkommene. „Sobald Medien in die Jahre gekommen sind, haben sie einen gewissen Reiz.“ Blinken spielt bei ihm eine große Rolle. „Ich arbeite immer rhythmisch.“

Auch der ORF Teletext und der Schweizer Teletext strahlen gemeinsam mit dem Ersten bis 13. September die Kunstwerke aus. Das finnische Fernsehen, bei dem die Aktion 2012 begonnen hatte, ist dieses Jahr allerdings nicht dabei. Der zuständige Teletext-Redakteur, erläutert van Ingen, sei auf einer Sommerwanderung und habe daher abgesagt.